Das Heerlager der Heiligen
Und dann seine Vergangenheit als Posten, der im Trommelfeuer der Worte auf Wache zog. Auf diesem engen Pfad, wo jeder Gedanke zur Phrase wurde. Das Gemälde übrigens wurde für hunderttausend Francs zugunsten der Aufnahme der Einwanderer vom Ganges verkauft. Zwanzig Sammler stritten sich darum. Gott weiß, wo es jetzt ist und mit welchen Augen es sein glücklicher Besitzer betrachtet …
Sonst gab es wenig Neues. Bis auf die Luftbrücke von Sao Tomé. Luftbrücke? Das ist eine Spezialität des Westens, wenn er einmal Lust bekommt, sich für seinen Nächsten zu interessieren. Sie hat den enormen Vorteil, provisorisch zwei weit entfernte Ufer miteinander zu verbinden. Das eine, wo der Nächste in einer verzweifelten Lage sitzt und froh ist, daß man sich seiner annimmt, das andere, von dem aus der Westen in geschützter Lage Zeichen der Freundschaft bekundet, indem er Flugzeuge entsendet. Im Ernstfall ist dies sehr praktisch, denn es verschafft ein gutes Gewissen. Es kann zusätzlich noch zu etwas nützlich sein, obwohl dies keineswegs der tiefere Grund seiner Erfinder war. Die Luftbrücke von Sao Tomé diente überhaupt zu nichts, es sei denn, daß die Öffentlichkeit ratlos zu werden begann. Sie war das Werk der Kommission von Rom, die nach fruchtlosen Sitzungen glaubte, etwas riskieren zu müssen. Es war auch Zeit. Schon sprach die UNO davon, sich des Problems anzunehmen. Wer weiß, was dann diese Leute zu erfinden imstande sind, wenn man sie mit Begriffen wie Imperialismus, Rassismus und anderen derartigen Spielzeugen miteinander spielen läßt, zumal dabei die Dritte Welt in der Mehrzahl ist. Da in der Kommission von Rom die westlichen Regierungen noch unter sich waren, waren sie am Drücker. So sehr die Sache auch auf den Nägeln brannte, so wollte man sich doch noch nicht an die Dritte Welt wenden. Die Luftbrücke von Sao Tome verdient auf jeden Fall, der Nachwelt überliefert zu werden. Sie war ein Denkmal der Nutzlosigkeit, so etwa wie der Eiffelturm.
Nach Überschreiten des Äquators wurde ersichtlich, daß die Gangesflotte auf die Küste Afrikas zusteuerte, genau gesagt auf die Insel Sao Tomé, ein früher portugiesischer Besitz, der jetzt eine unabhängige Republik ist. Noch vor kurzem diente die Insel den Amerikanern als Luftwaffenstützpunkt, wovon der Flughafen noch etliche ansehnliche Restbestände aufweist. Die Kommission von Rom beschloß, von dieser Basis aus die Armada zu versorgen. Was den Südafrikanern nicht gelang, wollte man um der Sache willen erneut, aber jetzt mit guten Menschen versuchen. Man wollte den Unglücklichen und der ganzen Welt das wahre Gesicht der weißen Rasse zeigen! Bald entstand auf dem Flugplatz von Sao Tomé ein Wirbel. Im Karussell der Nächstenliebe warteten hundert Flugzeuge auf die Landung unter dem bleiernen Himmel des Äquators. Eine wahre Sucht! Eine Auswahl an edlen Gefühlen. Ein Hochflug der Uneigennützigkeit. Ein Meisterwerk eines humanitären Gebäcks, gefüllt mit sahnigem Antirassismus, überdeckt mit einem gezuckerten Gleichheitsprinzip, gefüllt mit der Vanille der Gewissensbisse und das Ganze girlandenförmig ausgeschmückt mit einer zauberhaften Überschrift: mea culpa! Ein besonders herzerweichender Kuchen. Jeder wollte der erste sein beim Hineinbeißen. Drängelt nicht! Es ist für jeden genug da! Ein hübsches Fest. Wichtig war, dabei zu sein und sich zu zeigen. Die Hauptsache war, daß es bekannt wurde.
Weit voraus landete ganz allein das weiße Flugzeug des Vatikans. Es war immer und überall als erstes am Ort. Selbstverständlich hielt man es Tag und Nacht startbereit, beladen mit Medikamenten, Dominikanern in Jeans und mit frommen Botschaften. Wahrscheinlich flog es diese Symbole noch mit Überschallgeschwindigkeit ein.
Um es auszurüsten, verkaufte Papst Benedikt XVI., der durch das Vorgehen seines Vorgängers arm geworden war, seine Tiara und seinen Cadillac. Da aber in der ganzen Welt, besonders in den kleinen Pfarreien in Korsika, der Bretagne, Irland, Lousiana, Galizien oder Kalabrien, zu viele beschränkte und abergläubische Katholiken sich einen Papst ohne Tiara und repräsentatives Auto nicht vorstellen konnten, so flossen alsbald die Spenden. Der Papst gab dem Drängen dieser armen Leute nach. Betrübt nahm er seine Tiara und seinen Wagen wieder an, verkaufte aber beides wieder schnell und fröhlich im Namen der heiligen Demut, als die Öffentlichkeit und die Umstände den Start des Flugzeugs verlangten. Mit herzzerreißender
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