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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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sie die anständige Haltung ihrer dicht gedrängten schwarzen Nachbarn anerkennen mußten. Vielleicht paßte manchem auch der etwas scharfe und ungewohnte Geruch nicht. Aber es kann ebenso sein, daß sie als augenblickliche rassische Minderheit, um Komplikationen zu vermeiden, einfach nachgaben …
    Bei der Besetzung der Züge spielte sich ähnliches ab. Da auf ein Abteil ein Dutzend Personen kamen, zwei Weiße und zehn Schwarze, verzichteten die ersteren schnell, an diesem Tag zu verreisen. Viele stiegen dabei auf der falschen Seite aus. Meist entschuldigten sie sich, als ob sie fürchteten, die andern zu reizen oder als Rassisten angesehen zu werden. Ein in einem Abteil zuerst eingestiegener Gentleman blieb friedlich auf seinem Platz sitzen, während auf den weiteren Plätzen vierzehn Schwarze einander auf den Knien saßen und achtgaben, den Weißen bei der Lektüre der »Times« nicht zu stören. Zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges erhob sich der Gentleman, grüßte, murmelte etwas und verschwand auf dem Bahnsteig. Niemand hat ihn verjagt, er war von selbst gegangen …
    In Liverpool, Birmingham, Cardiff und Sheffield waren die Bahnhöfe und Züge derart überfüllt gewesen, daß um Mitternacht, als an diesem Ostersonntag die Rede des Präsidenten der Französischen Republik zu hören war, schon zwei Millionen Ausländer in den Straßen Londons kampierten. Dennoch verursachte diese Masse nicht mehr Lärm als ein Bantujägerstamm im Busch. Auf dem Höhepunkt dieses Massenansturms hatte die britische Regierung eine unauffällige Gegenmaßnahme versucht. Sie ließ auf den elektrifizierten Eisenbahnlinien den Strom ausfallen und die Lokomotivführer abrufen. Vergebliche Mühe. Unter den Haufen befanden sich mehr als fünfzig Prozent der technischen Arbeiter der britischen Eisenbahnen und bei den alamierten englischen Gewerkschaften waren viele einverstanden, daß an diesem Tag gearbeitet wurde. Man wußte eigentlich nie, warum …
    Zur gleichen Zeit hatte sich Schwarzafrika auf die Pisten im Busch und die Straßen in den Wäldern gestürzt. Es gehorchte einem Befehlswort: Treffpunkt Limpopo. Südlich des Flusses Limpopo lag die verhaßte Südafrikanische Republik, der Dolch im Rücken Afrikas, die klaffende Wunde in seinem stolzen Herzen, das weiße Ekzem auf der zarten schwarzen Haut. Mit diesen südafrikanischen Politikern, kapitalistischen Gangstern und Waffenhändlern war noch ein Hühnchen zu rupfen. Weine zum letzten Mal, mein heißgeliebtes Land! Hier stehen deine Brüder und Schwestern und die Kinder deiner Brüder, die aus der Tiefe des alten, edlen Afrika auftauchen und dir mit nackten und waffenlosen Händen die Freiheit bringen. Man schätzte, daß von den Stämmen und Völkerschaften mehr als vier Millionen Menschen eintrafen, die sich nun nördlich des Limpopo, in Rhodesien, dem vorletzten Grab der weißen Rasse versammelten. Etliche Delegationen, die aus entfernteren Gebieten gekommen waren, stellten nur eine symbolische Verstärkung dar. Aber sie waren alle vertreten, Algerier, Libyer, Äthiopier, Sudanesen, Kongolaner, Tansanier, Namibier, Ghanesen und Somalis. Sie alle warteten darauf, daß die Osternacht eine vergangene Welt auslöschen und endlich die Sonne über einem von Schande befreiten Afrika aufgehen werde. Den Trommeln am Limpopo antworteten jenseits des Flusses, jenseits der Weinberge, Felder, Minen und Wolkenkratzer der Weißen andere Trommeln aus den Ghettoortschaften der Schwarzen, wo in dieser Nacht keiner schlief, sondern alle vorsichtig an den Grenzen Ihrer Niederlassungen auf den Absätzen saßen. Ihnen gegenüber stand die Armee der Weißen, die zum ersten Mal die Augen zu senken begann …
    Der australischen Armee stand niemand gegenüber, sondern nur das einsame Meer, das diesen Inselkontinent ringsum schützte. Aber jeder kannte bereits die Bedrohung. Eine friedliche Flotte hatte sich in Djakarta versammelt und wartete auf das Morgengrauen, um die Anker ins weiße Paradies zu lichten …
    Marcel und Josiane waren an diesem Abend nicht die einzigen, die aus neiderfüllten großen Augen die Stunde der Wahrheit ablesen konnten. Diese Augen spähten schon länger hoffnungsvoll auf den Treppenabsatz, immer auf der Lauer, daß sich endlich diese Türen zu der Wohnung öffnen werden, die für zwei Personen viel zu groß ist. Jetzt ist die Stunde gekommen, wo die morschen Mauern von Jericho einstürzen werden.

35.
     

    Clément Dio schaute zum hundertsten Mal auf die Uhr. Sie zeigte

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