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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Roten längst über alle Berge gebracht haben?«
    »Dazu hast du ihnen also Zeit gelassen, du Gammler.«
    »Laß doch deinen neuen Cowboy suchen. Der kennt sich bei seinen roten Brüdern aus.«
    Hanska brach sein Schweigen.
    »Pferde stiehlt man im Krieg. Leben Sie im Krieg mit meinen Stammesgenossen?«
    Philip wandte sich ihm zu. »Ich meine also wirklich, du könntest sie finden, Cowboy.«
    Hanska stand auf. »Ich meine also wirklich, du könntest sie gestohlen haben, Philip Myer.«
    »Drecksmaul«, schrie Philip. »Come on.«
    Hanska ging langsam um den großen Tisch, bis er in Reichweite von Philip stand.
    »Da bin ich. Ich schätze aber, du läßt die Hände weg von mir und bindest deine Zunge an. Wenn es darauf zugeht, daß wir uns schlagen, bist du sofort am Boden. Du hast keinen schnellen, harten Schlag gelernt, das sehe ich deinem Gesicht und deinen Händen an. Wenn du aber lernen willst, könnte noch etwas aus dir werden.«
    Philip ließ einen Moment den Mund offenstehen.
    »Nun höre dir diesen Cowboy an, Pa. Kommt aus der Mottenkiste da oben und spielt den Schuldirektor.«
    »Hanska«, dröhnte der Großvater, »du suchst die Pferde. Basta.«
    »Gilt als Arbeit?«
    »Gilt für zwei Wochen Arbeit, wenn du sie findest!«
    »Einverstanden.«
    Die Tischrunde löste sich auf.
    Ite-ska-wih, Joan und Hanska gingen durch die Sommernacht miteinander zum alten Blockhaus hinauf. Joan wiederholte ausführlich die paar Hinweise, die sie Hanska schon gegeben hatte. Sie war auf bestimmte Vorgänge aufmerksam geworden und hatte sich Spuren angesehen. Sie hielt Philip für den Dieb.
    »Ich reite sofort nach New City«, entschied Hanska. »Gestohlene Pferde verschiebt ein Weißer nur dorthin. Wenn man dem Großvater glauben kann, sind es seine wertvollsten Tiere. Davon muß Krader, der Pferdehändler, wissen.«
    Hanska verwandelte sich wieder in den schwarzen Cowboy, nahm sich einen kleinen Beutel Proviant und Geld und eilte zum Korral, um sich den Schecken zu holen. Reiter und Pferd würden ohne Nachtruhe auskommen.
    Joan blieb die Nacht über bei Ite-ska-wih im Blockhaus. Die beiden Frauen räumten die Wandbank vollends auf und breiteten die Decken darauf. Sie legten sich übereck auf die Bank, so daß sie einander sehen konnten, sich aber nicht störten. Es blieb dunkel im Raum. Nur durch die beiden Schiebefensterchen drang ein Mond- und Sternenschimmer ein. So war es gut, mit offenen Augen zu träumen, hin und wieder ein Wort zu sagen. Ite-ska-wih berichtete Joan von dem Angriff auf Wasescha und den anschließenden Vorgängen. Während sie ihre Gedanken und Empfindungen ausschüttete, wurde sie ruhiger. Auch Joan sprach offen. Sie kam nicht von dem Gedanken los, daß der vermißte Robert ermordet worden sei, und quälte sich mit der Ungewißheit.
    Der Raum, das Blockhaus, der Geruch des alten Holzes ließen endlich Erinnerungen wach werden, von denen Joan erzählte. Sie hatte Inya-he-yukan Stonehorn gekannt und seine Pferde geritten. Ite-ska-wih trank die Bewunderung, die Joan für Inya-he-yukan, den Häuptling, empfunden hatte und empfand, durstig tief in sich hinein. Sie begann sich im Blockhaus heimisch zu fühlen. Auf diesen Brettern, auf denen sie jetzt lag, hatten Joe und Queenie gelegen. In diesem Hause hatten sie gelebt, geliebt und gelitten; in diesem Haus lebten sie noch. Alles rings atmete noch ihre Seele. Selbst das Gerümpel versteckte noch Andenken an sie. Hanska aber wuchs zu einem wahren Sohn Stonehorn Kings heran. Er trug nicht nur seine Kleider. Joan lächelte im Halbschlaf. »Joe ist auch einmal nach New City gegangen, um seine gestohlenen Pferde zu suchen. Es war ein wildes Erlebnis. Möge Hanska es leichter haben. Auf der richtigen Fährte ist er sicher.«
    Nach Mitternacht schlummerten die beiden Frauen ein. Um 4 a.m. wurde es hell; Sonnenstrahlen fielen schräg durch eines der Schiebefenster auf den eisernen Ofen, den festen Tisch, zu Ite-ska-wih auf die Wandbank.
    Joan sprang auf.
    »Komm, Ite-ska-wih. Wir machen uns das Frühstück in meiner Kammer drüben. Da gibt es fließendes Wasser.«
    Die beiden liefen hinunter zum Ranchhaus und schlüpften über die schmale Stiege hinauf in das Zimmerchen mit dem Ausguckfenster.
    Wasser lief in das Becken. Kaffee, Brot, Butter schmeckten.
    Das Tagewerk begann. Joan nahm Ite-ska-wih mit auf die Weide. Rings dehnten sich die grünen und die schon gilbenden Wiesen. Auf der anderen Seite des Tals leuchtete das weiße Gestein abgebrochener

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