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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hinein und hatte eine Stunde zu tun, bis die Ruhe hergestellt war und der Schecke seinen Willen durchgesetzt hatte.
    »So geht es künftig nicht«, sagte er zu Myer senior und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. »Der Korral befindet sich auf meinem Land; zu dem Schecken werden nur Stuten gegeben, die er decken darf. Wem dann die Füllen gehören, darüber reden wir noch.«
    »Yes, Sir. Sieh an, der junge Herr! Hat grade das Baccalaureat abgelegt.«
    »Auch das, weil ich eine Klasse übersprungen habe. Aber ich denke, wir bleiben bei der Sache, Sir. Wann und wo bekommen wir unser Essen?«
    »Im Sommer um 9 p.m. Sie essen mit uns am Tisch.«
    »O. k.«
    Hanska ging zu Ite-ska-wih in das Blockhaus. Sie hatte sich auf die breite Wandbank gelegt, die übereck an zwei Seiten des Hauses entlang führte und vier Menschen mit drei oder vier Kindern als Schlafplatz dienen konnte, wenn jeder sich mit wenig Raum beschied. Jetzt lagen noch Werkzeuge und Gerümpel darauf; Ite-ska-wih hatte nur so viel beiseite geschoben, daß sie sich hinlegen konnte. Sie war erschöpft und sah blaß aus.
    Hanska zog sich um, so daß aus dem schwarzen Cowboy ein Hirte in blauen Jeans und kariertem Hemd wurde. Er kämmte sein dichtes Haar und flocht es in zwei Zöpfe nach Indianerart. So setzte er sich zu Ite-ska-wih.
    »Wir haben eine Stunde Zeit, dann wird drüben gegessen. Bleib solange liegen. Ich hole unterdessen Wasser. Die Pumpe auf dem Hügel oben geht noch, aber die Leitung zu uns hier ist schadhaft. Den Hahn können wir nicht mehr aufdrehen. Wir leben wieder wie in den alten Siedlerzeiten.«
    »So wie Wasescha.«
    Hanska untersuchte den eisernen Ofen, der in der Mitte des Raumes stand. Das Abzugsrohr, das durch das Dach führte, war verschoben; er richtete es wieder. In einer Ecke entdeckte er drei Kochtöpfe. Er kannte sie. Zwei Wassereimer fanden sich auch an. Ite-ska-wih blieb liegen, bis Hanska mit den gefüllten Eimern zurückkam. Sie war die kurze Ruhe ihrem Kind schuldig.
    »Als Inya-he-yukan noch der junge Joe war und Queenie heiratete, mußte man viel weiter um Wasser laufen, wohl eine gute Stunde«, erzählte Hanska. »Die Pumpe hat Stonehorn erst installieren lassen; er hatte einmal vierzigtausend Dollar als Belohnung erhalten für die Auffindung von zwei Vermißten.«
    »Vielleicht findest du die gestohlenen Pferde wieder, Hanska.«
    »Wenn Myer mich beauftragt. Aber vierzigtausend Dollar erhalte ich dafür nicht. Höchstens den Taglohn.«
    Ite-ska-wih und Hanska wuschen sich und erfrischten sich damit. Es wurde Zeit, zum Essen zu gehen.
    Sie erschienen pünktlich an dem großen Familientisch. Der Großvater präsidierte. Rechts und links von ihm saßen Myer junior, Frau Myer, der Enkelsohn, eine Hauswirtschafterin und Joan. Hanska und Ite-ska-wih nahmen die anschließenden Plätze, an denen ihre Löffel lagen. Frau Myer teilte aus einer großen Schüssel das Essen in die Schalen aus.
    Nach altväterischer Sitte aß man schweigend. Wo eine Schüssel leer wurde, schöpfte Frau Myer nach. Sie machte den Eindruck einer arbeitsamen, strengen, harten Frau. Für sie mochte das Scherzwort gelten: »Du stehst mit einem Fuß auf dem glühenden Holz«, sagte die Farmersfrau zu ihrer Tochter. – »Mit welchem, Mama?« – So, dachte Ite-ska-wih, hätte Frau Myer auch antworten können.
    Dem Großvater schmeckte es. Auch der Vater schien zufrieden. Über die Züge des Enkelsohnes huschten Grimassen.
    Hanska beobachtete ihn. Er mochte Anfang Zwanzig sein, ein paar Jahre älter als Hanska. Ein Wechsel von Unzufriedenheit, Spott, Spaß, Erfolgslaune bestimmte sein Mienenspiel. Dabei schien er eher weich als hart. Zwei Generationen sehr selbstbewußter Männer drückten auf ihn, und die Mutter, die er hatte, war kein Ausgleich an verständnisvoller Zärtlichkeit.
    Es war abgegessen. Der Großvater trank einen Krug Bier.
    »Also, wer findet nun die gestohlenen Pferde?« fragte er mit seiner vollklingenden Baßstimme.
    Verlegene Stille folgte.
    »Hay, Philip«, rief der bärtige Alte seinen Enkel an, »du hattest in der Nacht die Weide.«
    »Frag doch die Indianer. Die Indianerpolizei!«
    »Ich will kein Geschwätz hören, Philip, sondern eine Antwort.«
    »Hast du ja. Jeder weiß doch, wo das Diebsgesindel steckt.«
    Ite-ska-wih und Hanska wurde es heiß. Hanska hielt noch an sich.
    »Warum suchst du nicht, Philip?« fragte der Großvater ungerührt weiter.
    »Hab’ ich schon. Wo willst du denn einen Gaul finden, den die

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