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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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verschwimmenden Prärie und hin zu allem Kleinen, Unscheinbaren, dem Grashalm und dem Käfer. Mit ihnen zusammen waren die Toten, die Brüder und Schwestern, die Ahnen lebendig.
    Am Sonntagmorgen entschlossen sich Joan und Ite-ska-wih, ebenso wie die Familie Myer zur Agenturkirche zu fahren. Die indianische Kapelle, der kleine Holzbau, war verschlossen, der indianische Priester tat hier nur noch selten Dienst. Joan und Ite-ska-wih gehörten zu den ersten der ankommenden Kirchgänger, sahen Bob und Melitta kommen, auch die Häupter der angesehenen Familien, unter ihnen Whirlwind und Morning Star; sie sahen die Lehrer und Internatsschüler, die in geschlossener Gruppe ihre Plätze einnahmen. Ite-ska-wih erblickte zum erstenmal den Killerchief, seine breite große Figur, sein dickes Gesicht, den hochmütigen, erbarmungslosen Ausdruck um Augen und Mund. Sie erkannte auch jenen Killer, den Indianer, den sie vor Waseschas Zelt mit einem Karategriff niedergeworfen hatte. Wasescha, Hanska, Ray und die Gruppe der jungen Freunde des ermordeten Robert waren nicht gekommen. Sie befanden sich bei dem Geheimnismann. Aber kurz vor Beginn des Gottesdienstes erschienen noch Untschida, Dorothy und Hetkala und nahmen auf der letzten Bank Platz.
    Der alte Priester war Weißer. In seiner Predigt sagte er, was seine indianischen Gemeindemitglieder verstehen konnten und immer wieder hören wollten. Er erzählte von den Verfolgungen, denen das kleine Volk Israel ausgesetzt war, von den Sünden, mit denen es sich selbst schuldig machte, und von seiner wunderbaren Errettung. Die Zuhörer dachten an ihr eigenes Volk.
    Ite-ska-wih blieb unruhig. Sie konnte schwer verstehen, wie Morning Star und der Killerchief, Bob und der indianische Killer vor den gleichen Gott treten konnten, ohne sich vorher zu reinigen. Die Opfer der Killer mußten schreien. Ite-ska-wih schloß die Augen; sie öffnete die Ohren und hörte sie; sie hörte die lauten Schreie Gefolterter und die lautlosen Schreie der Tapfersten unter ihnen, wie Robert. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Ihr Gesicht leuchtete nicht mehr wie die Sonne, die ihr den Namen gegeben hatte. Ihre Augen waren schwarz wie eine Drohung, die sich plötzlich auftut gleich einer Spalte in der Erde; ihre Wangen wurden farblos wie das letzte Dämmern vor gefahrenbergender Nacht. Jemand drehte sich nach ihr um. Sie fiel ihn mit ihrem Blick an, denn es war der Killer. Selbst verblüfft und erschreckt, machte er durch eine Bewegung mit dem Fuß ein Geräusch, das die Stille beim priesterlichen Gebet störte. Die Unruhe zog Wellen wie ein Stein, der in ruhiges Wasser fällt. Der Killerchief hatte Angst; er sah sich um, ob ihn jemand bedrohe. Er begegnete dem Willen, der von Ite-ska-wih ausging, und war verwirrt.
    Das Gebet war zu Ende gesprochen.
    Ite-ska-wih schaute den Killerchief noch immer an. Alle ihre Kraft ging in den Blick hinein, mit dem sie ihn festhielt, so wie die Sonnenstrahlen nach ihrem Glauben den bösen Menschen festhalten konnten, der sich nicht zu reinigen noch loszureißen vermochte.
    Der Chief fuhr sich mit der Hand über die Augen, als ob er eine Vision wegwischen wolle.
    Ite-ska-wih formte wieder ein Wort, ohne zu wissen, daß sie es laut sagte, aber es war für alle, die in ihrer Nähe knieten oder saßen, vernehmlich.
    »Ro – bert – «, sagte sie dem Killerchief ins Gesicht.
    Er starrte sie an, ohne in diesem Augenblick einer Handlung fähig zu sein. Von der rückwärtigen Bankreihe erklang ein leises bitteres Weinen. Das war Margot Crazy Eagle, die die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Joan blieb regungslos wie in jener Stunde, als sie begriff, Robert sei tot.
    Die Orgel begann mit dem Ende des Gottesdienstes ihre brausenden Töne zu den sich öffnenden Türen zu schwingen.
    »Großer Gott«, sagte eine Stimme. »Großer Gott. Robert.«
    Jemand zog den Killerchief weiter; er sollte die Kirche verlassen. Beinahe willenlos folgte er der Mahnung.
    Ite-ska-wih sank auf der Bank zusammen, bis Joan und Untschida sie sacht hinausführten.
    »Ich habe ihn gesehen«, flüsterte sie vor sich hin. »Er war da. Sein Blut war da.«
    Nicht alle Besucher des Gottesdienstes hatten begriffen, was vorgegangen war. Ber, die unzugängliche Ranchersfrau Myer, legte den Arm um Joan. »Dein Robert«, sagte sie, »wir werden ihm ein Kreuz setzen, damit er Ruhe findet.«
    Joan schaute zu Margot hinüber, die mit tief gesenktem Gesicht ihren blinden Mann hinausführte.
    »Sie weiß es also«, sagte

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