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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Ite-ska-wih und brachte die Puppe zum Vorschein, die Hanska bei seinem ersten Eindringen in das alte Blockhaus gefunden hatte. Ite-ska-wih legte sie Mary auf den Arm.
    Zum erstenmal reagierte das Kind mit einer eigenen Bewegung.
    Sie drückte diese Puppe an ihre Brust. Mutter Queenie-Tashina hatte sie ihr vor Jahren gearbeitet. Mary kamen die Tränen, aber ihr Weinen blieb lautlos. Als der Wagen eine Kurve scharf nahm und sie dabei unwillkürlich, an Ite-ska-wih heranglitt, schmiegte sie sich mit ihrer Puppe an deren Arm und blieb so, bis sie müde einschlummerte wie Ite-ska-wih auf der Herfahrt. Balls Lehrerherz klopfte vor Freude.
     
    Die Strecke bis zum nächsten Ziel war so weit, daß die Fahrt durch mindestens eine Übernachtung unterbrochen werden mußte. Ball wählte eine kleine geruhsame Stadt ohne viel Industrie; in einem Motel, das am Stadtrand noch im Grünen gelegen war, bekam er zwei Zimmer, die für die Verwaltung nicht zu teuer waren.
    Am nächsten Morgen wurde sehr früh aufgebrochen. Die Neonlichter erhellten noch die Straßen, als der Dienstwagen seine Fahrt begann.
    Es war Nachmittag geworden, bis man in die Nähe der berüchtigten Boardingschool kam, in der Wasescha seine unglückliche Kindheit verbracht hatte. Ball suchte in der nächstgelegenen Ortschaft vorweg Quartier und fand es nach Rücksprache beim Bürgermeister in einer Familie. Er stellte Mara als Mrs. Mara Bighorn vor. Einen Zwang zum Vorzeigen eines Ausweises gab es in Amerika nicht; mochte sich die Polizei mit dem Identifizieren gesuchter Personen abmühen. Der Dienstwagen, das Auftreten Balls als typischer gesitteter Lehrer, der Hinweis des Bürgermeisters genügten der Familie im geräumigen komfortablen Holzhaus, um Ball, seine Begleiterin und Mary freundlich aufzunehmen.
    Mary durfte im Hause bleiben und wurde als wohlerzogen wirkendes Indianerkind in die Familie eingeladen, während sich Ball und Ite-ska-wih im Wagen zu der Boardingschool begaben, die noch immer wie eine Barackenstadt wirkte, alt und verwittert. Bauliche Vorsichtsmaßnahmen für ihre Abschließung von der Außenwelt gab es nicht; das war in dieser abgelegenen Gegend nicht nötig.
    Ball fand sich zu der Direktionsbaracke durch.
    Direktor war ein gewisser Mr. Wyman.
    Im Vorraum konnte Ball einen Seufzer nicht ganz unterdrücken. Er bemerkte, wie Ite-ska-wih ihn fragend anschaute.
    »Auch das noch«, sagte er leise. »Wyman und ich sind sich feind wie zwei auf Kampf ausgehende Spinnen oder Stiere oder was du willst. Ein widerwärtiger Bursche, den wir in unserer Schule endlich losgeworden waren. Er ist also nach einigen Umwegen hierher zurückversetzt worden. Unser Pech. Aber wir weichen nicht. Die Anordnung, Harry King zu entlassen, muß dasein; ich habe eine Kopie. Leugnen kann er nicht.«
    »So einer ist das.« Auch Ite-ska-wih war nahe am Seufzen. Aber sie überwand die Schwäche. Es würde Kampf geben.
    Wyman rief herein.
    »Hay, Mister Ball! Unser Wiedersehen. Diesmal haben Sie keinen Lehrer mit ungehörigem Benehmen, sondern einen zum Verbrechen tendierenden kleinen Rowdy namens Harry King zu verteidigen. Schon der Väter war mal Gangster. Da gibt es vorher noch einiges zu besprechen. Wer ist Ihre Begleiterin?«
    »Missis Mara Bighorn.«
    »Wozu brauchen Sie die, wenn man fragen darf?«
    »Wir haben das Mädchen Mary King abgeholt.« Ball nahm sich zusammen, um nicht in ganz anderem Ton zu antworten.
    »Mädchen Mary King abgeholt, so, so. Aber für unsern Fall hier brauchen wir die junge Missis Bighorn nicht. Schicken Sie sie gleich zum Wagen zurück. Wir beide werden dann rasch fertig miteinander sein.«
    »Ay, Sir«, ironisierte Ball.
    »Was wollen Sie überhaupt?«
    »Wie Sie sagten: Harry King abholen. Sie haben die Anweisung des Bureau of Indian Affairs erhalten.«
    »Vielleicht, Ball. Ich kann nachsehen.«
    »Nicht nötig, Wyman. Ich habe die amtlich beglaubigte Durchschrift bei mir.«
    »Schlau waren Sie immer, Ball. Aber das nützt Ihnen bei mir nichts. Auf den Boy, auf den Sie warten, wartet noch eine kräftige Tracht Prügel. Die bekommt er heute abend. Morgen früh reden wir weiter.«
    »Ich nehme Harry jetzt mit.«
    »Ball!« Wyman lief rot an. »Wer ist hier Direktor, Sie oder ich? Wer bestimmt?«
    »Das Bureau of Indian Affairs, und das hat entschieden, wie Sie wissen.«
    »Er bekommt seine Prügel, das ist auch im Sinne des Bureaus. Wir sind fertig. Morgen können Sie noch mal nachfragen.«
    »So nicht, Mister Wyman, nicht mit mir. Ich

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