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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Hetkala. »Ich war schon einmal da droben.«
    Die anderen stimmten zu. Ite-ska-wih war es lieb.
    Die beiden wählten diesmal den braven Braunen und die Fuchsstute, um sich den Anmarsch zu verkürzen. Iliff saß bei Ite-ska-wih mit auf. Man ritt mit Sattel einen mäßigen Trab; Hetkala hatte auf einen frühzeitigen Aufbruch gedrängt.
    Als die Frau und das Mädchen den ihnen bekannten Rastplatz erreicht hatten, schickten sie Iliff mit den Pferden wieder nach Hause, denn sie wußten nicht, ob sie selbst heimwärts den gleichen Weg nehmen konnten.
    Als sie allein waren und die Sonne schon ermattet zum Horizont niedersank, überkam beide ein schwerer Ernst. Seit Wochen hielten die Belagerten aus als Vorhut aller jener Indianer, die unermeßliches Unrecht wiedergutgemacht sehen wollten, zum wenigsten in den engen Grenzen der vor einem Jahrhundert abgeschlossenen Verträge. Immer wieder sagten sie es, immer wieder. Immer wieder dachte es Ite-ska-wih, und sie dachte sich immer tiefer hinein. Als die ersten Amerikaner, jederzeit zur Verteidigung des großen Landes Amerika bereit – wie sie mehr als einmal bewiesen hatten –, wollten sie frei auf dem ihnen verbliebenen Boden siedeln ohne Vormunde im Nacken, die sie wie »Wilde« und unerzogene Kinder behandelten, wollten ihre Kinder frei heranbilden zu Menschen, die miteinander, nicht gegeneinander lebten, die die Mutter Erde liebten und ehrten, sie nicht verschmutzten, nicht die Tiere töteten und die Wälder ausrotteten. Ein Vorbild für Menschen wollten sie auf ihrem Boden werden und sie vor dem Untergang in Selbstsucht und Zerstörung bewahren. So hatten Untschida und Hanska das Mädchen gelehrt. Würden die weißen Menschen, deren Blut auch rot war, endlich sich selbst erkennen und dem Indianer Leben, Freiheit und Recht lassen? Jeden Tag, jede Nacht warteten die Belagerten auf eine Antwort auf ihre Fragen. Noch immer war nichts erfolgt als recht kärglicher Bericht und gehässige Verleumdungen. Der Ring der Belagerer aber zog sich enger und enger zusammen; die Vorräte der Belagerten wurden weniger und weniger. Die Watschitschun, die Milahanska planten nichts anderes, als die Tapferen zum Aufgeben zu zwingen, und die ganze Welt schaute zu, schwieg oder sprach machtlose Worte.
    Die Indianer waren einsam, und sie waren uneinig. Ite-ska-wih wußte es. Nicht alle Indianer waren so, wie Untschida ihr in langen düsteren Kellerstunden erzählt hatte, wie der Häuptling der Prärie, Inya-he-yukan Stonehorn, ihr erschienen war und wie sie Hanska-Mahto und Rote Krähe kennengelernt hatte. Die Indianer waren ein kleiner Haufen; in diesem kleinen Haufen lebte ein noch kleinerer, der wußte, worum es ging, und sein Leben dafür einzusetzen bereit war.
    Hetkalas Sohn Wasescha war im Ring und Ite-ska-wihs künftiger Mann war im Ring. Die beiden Frauen gehörten zusammen, und sie gehörten zu den Belagerten.
    »Gehen wir«, sagte Hetkala und nahm den Beutel über die Schulter. Ite-ska-wih war bereit und folgte der Älteren in deren Spur.
    Das Mädchen wunderte sich, wie schnell die Alte lief und wie gewandt sie Deckung suchte, am Boden kroch, den Busch handhabte, der ein wenig Schutz vor Feindsicht bot, wie sie ihren eigenen Körper zu einem knorrigen alten Baum, ihr Haar zu Grasbüscheln werden ließ. Hetkala kannte alle Kunstgriffe wie ein Mann und Jäger. Ite-ska-wih aber durfte sich auch über sich selbst wundern, wieviel sie schon gelernt hatte, als sie die Strecke, die einst Stonehorn ausgewählt hatte, nun zum drittenmal ging. Es kam nicht mehr vor, daß sie einen Zweig zum Rascheln brachte wie in jenem Augenblick, als der Sergeant vor ihr auftauchte.
    Der Ring hatte sich zusammengezogen, die Zwischenräume waren noch enger geworden.
    Es fielen ein paar Schüsse hinüber und herüber. Eine Kugel pfiff von hinten über Ite-ska-wih weg. Hetkala und sie waren schon durch den Belagererring hindurch und hatten das gefährlichste Stück, das freie Gelände zwischen den Feinden, zu durchqueren. Ite-ska-wih dachte nur an ihre Aufgabe. Sie hatte keine Zeit für Angst oder Zweifel.
    Der Mond hatte zugenommen, aber am Himmel zogen Wolken auf und verdeckten Mond und Sterne. Die Nacht wurde schwarz wie das Gefieder eines Raben. Es regnete dünne Tropfen in dichten Strähnen. Die beiden Frauen gebrauchten keine übermäßige Vorsicht mehr. Sie kamen jetzt rasch vorwärts wie zwei gescheuchte Schlangen.
    Wiederum fielen vereinzelt Schüsse.
    Als Hetkala und Ite-ska-wih die Vorposten der

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