Das helle Gesicht
der er gekommen war: »Ich soll euch sagen, daß sie Verstärkung bekommen haben. Wir wissen noch nicht, wann unsere Frauen wieder hinausgelangen können.«
»Alice?« fragte Ite-ska-wih.
»Alice ist auch wieder da.«
Der Schall der Trommeln draußen schwoll an, wallte und wogte rings um die kleine Hütte. Ite-ska-wih und Hetkala hörten ihn noch im Traum.
Der Nachttraum wurde mit der Dämmerung zum Tagtraum.
Ite-ska-wih befand sich in einer merkwürdigen Bindung von Berechnen und Träumen. Da war das einzelne, das man ordnen, zählen, gewichten konnte, das Sichtbare, Greifbare, Harte, Bunte; von alledem abgelöst war das die Wurzeln umfassende, Geheimnisse bergende, alles zeugende Dunkel der Erde und das Feuerlicht der Sonne. Was man nicht greifen, nicht hantieren konnte, schwang in dem Trommelklang; es führte zu dem Wissen der Ahnen, zu der Gewißheit vom Leben des Indianers; die Berechnungen sagten, daß die Indianer an Zahl geringer und schlechter bewaffnet seien als ihre Feinde, daß sie auf verlorenem Posten kämpften, aber die Trommeln straften die Berechnungen Lügen. Die Trommeln und das Singen waren stärker, der Indianer lebte.
Es war kalt. Der Wind flog mit großen Schwingen über die Prärie; jeder seiner Flugschläge trieb Eiskörner wider die Menschen und über das matte braune Gras. Allmählich ging der Hagel in Sprühregen über. Zwischen die Belagerten und die Belagerer schlichen sich Nebelbänke ein und lagerten sich rings in der Talsenke.
Die Nacht verging, und die Tagesstunden liefen dahin, ohne daß etwas geschah. Nichts verlautete.
Die Männer bereiteten sich auf den Kulttanz vor, den die Weißen einen Geistertanz nannten. Es wollten aber keine Geister tanzen, sondern Menschen, die mit dem Großen Geheimnis und ihren ermordeten Ahnen eins waren. Ite-ska-wih wußte noch nicht viel davon; sie wollte aber mit denen beten, die in den Tanz gingen. Tatokala und Alice sagten ihr, daß sie bei ihr und Hetkala bleiben würden.
Gegen Abend hörte der Regen auf, aber der Wind heulte noch immer. Wolken sammelten sich und trennten sich wieder, wenn die dahinwehende Luft sie anpfiff. Der Abendstern glühte am Himmel; er leitete die Nacht ein.
Das Feuergold des Himmels bei Sonnenuntergang zeigte sich nur in einem schmalen Streifen am Horizont und verschwand rasch. Es wurde dunkel.
Die Männer holten ihre Kulthemden hervor. Manche besaßen sie noch in weißem Leder, die meisten nur noch in Baumwollstoff. Auf dem Hügel am Großen Grabe sammelten sich Angehörige mehrerer Stämme, die seit Wochen miteinander aushielten und auch die kommende große Prüfung gemeinsam bestehen wollten.
Tatokala erklärte Ite-ska-wih leise, welche der Männer aus anderen Stämmen gekommen waren. Selbst ein Yaqui aus Mexiko war unter ihnen. Ite-ska-wih machte Tatokala darauf aufmerksam, daß sie unter den vielen Männern drei aus der Stadt, aus dem Großen Tipi erkannt hatte, und sie konnte Tatokala sagen, daß auch ein junger Mann von der Bärenbande aus Kanada hier sein müsse. Das wußte Tatokala bereits.
Die Männer kamen mit langsam abgemessenen Schritten und stellten sich im großen Kreis zum Tanze auf. Sie trugen nur weiße Westen und mit Kultzeichen versehene Röcke; auf Kälte und Wind achteten sie nicht.
Die Trommeln schlugen an. Die Männer begannen im Rhythmus zu stampfen und zu singen. Sie sangen ohne Unterlaß vom Leben des Indianers und des Büffels; die Trommeln hörten nicht mehr auf zu dröhnen. Ite-ska-wih hatte indianische Tänze im Großen Tipi miterlebt. Aber zum erstenmal erlebte sie einen vom Glauben und Hoffen durchdrungenen Tanz in der freien nächtlichen Prärie, unter dem grenzenlosen Himmel, im Licht von Mond und Sternen, im weither kommenden Wind, auf dem Boden, auf dem der Indianer und der Büffel noch in der Zeit der Urgroßväter und Urgroßmütter miteinander gelebt hatten, auf dem Boden, auf dem das Gras noch grünte wie eh und je. Leise betete und sang sie mit. Immer mächtiger durchflutete sie das mächtige Dröhnen der Trommeln und die Zuversicht des gemeinsamen Gesanges. Es zog sie in die Höhe. Sie stand mit den anderen Frauen zusammen auf. Der Rhythmus packte ihren Atem und ihre Glieder. Ihre Füße stampften mit. Ihre Stimme sang das Lied, das mit seinen Tönen ihren ganzen Körper schwingen ließ, mit seinen Worten sie gefangennahm, so daß sie seiner einfachen Größe und Gewißheit erlag und in ihr und um sie nichts mehr war als Kraft und Hoffnung und die Gemeinschaft mit
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