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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Medizinmannesaugen. Aber sein Mund war von einer unruhigen Beweglichkeit; seine Lippen verzogen sich rasch von einem Ausdruck zum andern. Seine sturzartige Redeweise gewann Ite-ska-wihs Vertrauen nicht. Kaum war er aus dem Wagen gestiegen und hatte im Blockhaus Bohnen gegessen, da überfiel er schon seine wortkarge Gesprächspartnerin mit seinen Ideen. Indianisch war das nicht, auch nicht die Art eines echten Geheimnismannes. Hetkala schien dies ebenso zu fühlen wie Ite-ska-wih. Aber in Dorothys Haltung lag nichts als Bewunderung für den Enkel, der Maler und Geheimnismann geworden war.
    »Ich bin durch den Sonnentanz gegangen und habe zwei Tage lang in die Sonne gesehen, ohne blind zu werden. Du wirst das verstehen lernen, Mara; ihr alle werdet von der vergeblichen Meuterei ablassen. Dann könnt ihr in diesem Hause wohnen bleiben.«
    Ite-ska-wih senkte den Kopf noch tiefer über ihre Stickerei. Arthur spielte mit seiner Jagdflinte herum.
    »Heute gehe ich durch die Wiesen. Morgen arbeite ich wieder. Hier kann ich wieder arbeiten, ja. Hier bin ich zu Hause.«
    Arthurs Redeschwall brach ab.
    Seine Züge wurden ruhiger.
    Hier ist er zu Hause, dachte Ite-ska-wih. Hier ist er als Bub über die Wiesen gelaufen, hat mit Hunden und Pferden gespielt, am Bach Kiesel aufgelesen, sich über die klugen Biber gewundert und sich vor den unheimlich zerrissenen unfruchtbaren Bad Lands gescheut. Hier war er bei Mutter Erde unter dem großen Vater Himmel in der stillen Weite. Woher mag die Unruhe und der Zwiespalt in ihn eingezogen sein? Sein Medizinmann-Lehrer hat ihn nicht davor beschützen, nicht davon befreien können. Ite-ska-wih begann Mitleid mit Arthur zu empfinden. Vielleicht erzählten sie mehr von ihm und seinem Schicksal. Es wäre gut gewesen, mehr von ihm zu erfahren, denn er konnte Ite-ska-wih, Hanska, Ray und Rote Krähe das Obdach weiterhin gewähren oder sie vertreiben.
    Arthur reckte sich auf; er schien nun wirklich das Haus verlassen zu wollen. Die Jagdflinte nahm er wieder sachgerecht zur Hand. Sein Ausdruck, eben noch milde-wehmütig, schlug ins Düstere um. Er wird alle Plätze aufsuchen wollen, die zu seiner Heimat gehören, dachte Ite-ska-wih, während Arthur das Haus verließ und die Tür hinter sich zuschlug.
    »Er darf sie nicht erschießen!« schrie Iliff gellend auf. »Ihr müßt ihnen helfen!«
    Dorothy legte erschrocken die Hand auf den Mund, um Iliff Schweigen zu bedeuten. Hetkala blickte beunruhigt auf Ite-ska-wih.
    Die junge Frau legte die Stickerei sorgfältig zusammen und ging zu Iliff hin.
    »Iliff«, sagte sie sehr ruhig und sanft, »sage mir, wen Arthur nicht erschießen soll?«
    »Die Biber! Ite-ska-wih, er will die Biber ermorden, weil sie den Baum gefällt haben! Dorothy hat es ihm gesagt. Er will sie bestrafen. Ite-ska-wih, er darf es nicht tun!«
    »Vielleicht wird er es nicht tun, Iliff, vielleicht wird er es gar nicht mehr tun wollen, nicht wahr, wenn ich für die Biber bitte.«
    Ite-ska-wih verschwand schnell wie ein Wiesel aus dem Blockhaus.
    Arthur hatte Vorsprung vor der jungen Frau. Aber seine Spur verriet, daß er nur mäßig schnell ging und eine bequeme Route zu Bach und Biberbau wählte. Ite-ska-wih rannte querfeldein; sie hetzte aufwärts, bis sie keuchend bei den Biberbauten anlangte. Die Tiere verschwanden schnell in ihrem Bau.
    Arthur war noch nicht da.
    Ite-ska-wih blieb stehen, schaute über das weite Land und wartete gelassen auf den Jäger Arthur.
    Sie war entschlossen, jede Gefahr auf sich zu nehmen, um die Biber zu retten. Die Biber, das waren die klugen Kleinen, die den Steinknaben endlich besiegt hatten. Die Biber hatten eine Menschenseele. Der alte Biber hatte ihr seine Medizin gegeben, so daß sie wieder gesund werden konnte.
    Da Ite-ska-wih ganz entschlossen war, blieb sie auch ganz ruhig. Arthur kam am Bachufer herauf. Er hatte die Hülle von seiner Jagdflinte abgenommen. Als er Ite-ska-wih am Ufer stehen sah, hob er den Kopf. Ein Gewirr noch nicht zur Entscheidung findender Empfindungen spielte in seiner Miene. Er mußte Iliffs Aufschrei noch gehört haben. Dennoch hatte er an seinem Vorhaben festgehalten.
    »Da bist du, Mara!« sagte er, erstaunt, ärgerlich, bewundernd, als er die junge Frau erreichte. »Ich werde sie töten. Sie haben den Baum vernichtet, diesen Baum! Den Kalikobaum. Er war unseren Vorfahren heilig. Er gibt seine Zweige für den Sonnentanz. Ich habe diesen Baum gekannt, seit ich als Kind laufen lernte und mit der Großmutter bachaufwärts

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