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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ging. Es wachsen nicht viele Bäume hier. Ich habe diesen Baum geliebt. Die Biber haben mir mit ihren Zähnen das Herz angenagt. Ich werde sie töten. Hau. Du verstehst das.« Arthur sprach mit seiner sanften Stimme. Ite-ska-wih, die er für ein Mädchen halten mußte, hatte ihm auf den ersten Blick gefallen. Er mochte sich freuen, sie hier allein in der Einsamkeit wiederzutreffen.
    Ite-ska-wih stand an der gleichen Uferseite des Baches, an der Arthur heraufgekommen war, etwa fünf Meter entfernt von ihm. Sie antwortete nicht sogleich.
    »Du hast den Baum geliebt, Arthur«, sagte sie endlich. »Er ist tot. Du trauerst um ihn. Das verstehe ich. Ich liebe den alten Biber; er lebt. Bitte, töte ihn nicht. Ich bitte dich darum.«
    »Mara, dies ist kein Spiel.« Arthur machte seine ernste gewichtige Stimme. »Das ist ein Gericht. Die Biber sterben alle für ihre Untat.«
    »Ich mit ihnen, Arthur.«
    »Rede nicht irre, Mara!« Arthur war über die Art des Widerstandes, auf den er traf, erschrocken und erzürnt.
    »Arthur, dies ist wirklich kein Spiel. Du willst Biber töten, die den Menschen gleich sind. Sie leben so, wie Wakantanka es ihnen gegeben hat zu leben. Samen des Baumes liegen noch vom Herbst umher. Wir können sie pflanzen, und ein neuer Baum wird wachsen. Tote Biber aber gebären nicht mehr. Töte sie nicht, Arthur. Nichts Strafwürdiges haben sie getan.«
    »Geh weg. Du brauchst nicht mitanzusehen, wie ich sie töte. Eine weichmütige Frau bist du. Dies aber ist ein Gericht.«
    »Arthur, weißt du, ob das Gericht nicht über dich selbst kommen wird? Du hast vor, unrecht zu tun. Denke an den Steinknaben. Die Biber, das sind wir selbst.«
    Der Bach rauschte. Wind wehte über den Hang. Ite-ska-wihs schlichte, schöne Gestalt hob sich gegen Wiese und Himmel ab. Dieses Bild und die unerwartete Gegenwehr, auf die er traf, reizten Arthur immer heftiger auf.
    »Ich habe vor, mich nicht länger um dein Geschwätz zu kümmern. Du bist nicht hierher gelaufen, um mich zu treffen. Du bist nur hierher gelaufen, um mir die Biber zu verscheuchen. Geh weg!«
    »Arthur, ich bleibe hier. Laß uns Frieden halten.«
    »Was heißt ›uns‹? Ich bin nicht deinesgleichen. Ich bin mehr als du. Das begreifst du wohl nicht, hübsches Gesicht. Geh weg! Ich sage es dir zum letzten Mal. Es bekommt dir schlecht, wenn du mir trotzt, du samt deinen Aufrührern.«
    »Was willst du mir tun, Arthur, wenn ich dich noch einmal bitte, die Biber nicht zu töten?«
    »Das wirst du ja sehen, freches Ding.«
    Der Jäger Arthur hob den Lauf seiner Waffe; er wollte anlegen. Vielleicht wollte er nur drohen. Vielleicht wollte er handeln. Die Biber waren in ihrem Bau. Sein Ziel konnte nur Ite-ska-wih sein. Sie trat zwei Schritte auf ihn zu.
    »Tue es nicht, Arthur.«
    In dem Manne, der sich selbst leicht die Zügel schießen ließ, quoll der Jähzorn auf. Sein Gesicht wurde dunkel vom aufschießenden Blut. Er drehte die Waffe um, er wollte Ite-ska-wih mit dem Kolben schlagen.
    Sie hatte sich im gleichen Augenblick zur Gegenwehr gefaßt. Sie griff an. Mit einem Karatemanöver brachte sie ihn zu hartem Sturz. Die Flinte flog in den Bach und war fürs erste unbrauchbar.
    Arthur stand nicht ohne Mühe auf. Er war nicht mehr bei Sinnen. Zum zweitenmal wollte er auf Ite-ska-wih losgehen.
    Da glaubte er ein Phantom vor sich zu sehen. Neben der jungen Frau standen zwei große junge Männer. Sie sagten nichts. Stumm standen sie da, aufrecht, drohend. Nichts rührte sich an ihnen; auch die Augen blieben starr.
    Arthur prallte zurück.
    Er wischte sich über die Augen, um das Phantom auszulöschen. Aber es blieb.
    »Verrückt«, brachte er hervor. »Wo kommt ihr her? Wer seid ihr? Was wollt ihr?«
    »Die Schutzgeister der Biber«, sagte Ite-ska-wih leise. Zuerst war sie ebenso erschreckt gewesen wie Arthur, als rechts und links von ihr plötzlich je ein großer Indianer stand. Aber gleich darauf wußte sie die Biber und sich selbst in guter Hut.
    »Geheimnismann Arthur«, sagte der Siksikau mit schwerem Ernst, der seine Stimme mehr noch als seine Worte zur Drohung machte, »du wolltest morden und die Geheimnisse nicht achten. Die Sache des Bibers aber ist größer als dein kleiner Geist unter einem künstlich gelockten Skalp. Geh in dich und störe die Biber nie mehr. Sonst würdest du sterben. Ich sage dir, du wirst sehr krank, wenn du mordest. Hau.«
    Arthur wich zurück.
    Das stumme Ringen dauerte lang.
    Dann brach der Widerstand Arthurs zusammen wie ein Stamm im

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