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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Halbweißer geworden in den Straßen der großen Stadt, aber ich kann wieder ein Indianer werden, als der ich geboren bin. Inya-he-yukan hat mich angesehen, ehe er starb. Er hat mich gerufen, ich bin gekommen, ich bleibe. Ich kann bei Dorothy leben, aber nicht mit ihr allein. Ich werde mir eine zweite Großmutter dazuholen, meine Untschida. Sie kann etwas Besseres tun als für Krause Steaks braten. Sie kann Menschen beschützen.«
    »Willst du dir nicht ein Mädchen dazuholen?« forschte Hetkala freimütig.
    »Wenn ich eines finde, das so gut, aber vernünftiger ist als meine aufgeregte Schwester Ite-ska-wih – dann ja. Ich habe aber noch keines von der Sorte entdeckt.«
    »Entschieden«, sprach Hanska. »Ray, du bleibst hier und holst auch Untschida zu Dorothy. Ihr drei seid dem Killerchief nicht verdächtig; selbst Dorothy ist nicht mehr verdächtig, nachdem sie uns Aufrührer hinausgeworfen hat. Den Killern, falls sie doch kommen sollten, seid ihr gewachsen. Du bist ein kaltblütiger Schütze, Ray, und Untschida hat schießen gelernt. Hau.«
    »Und du selbst, Hanska?«
    »Das frage ich dich, Hetkala.«
    »Du kommst zu mir und meinem Sohn Wasescha, Hanska, du mit Ite-ska-wih. Ich bin gewiß, daß ihr bei uns leben könnt, ihr und eure Pferde. Aber träumst du nicht vom alten dunklen Blockhaus Inya-he-yukans?«
    »Ja, ich träume. Wann ich aufwache, weiß ich noch nicht.«
    Die Beratenden verstanden, daß alles Nötige und Bedeutsame gesagt war. Die Nacht begann hereinzubrechen. Sie erhoben sich wie von selbst und gingen zurück in das Blockhaus zu Dorothy. Es wär jetzt leichter, zu ihr zu gehen, als zuvor.
    Als sie durch die schwere Tür in das Haus eintraten, stand Dorothy am Herd und schürte das Feuer. Ray ging zum Bach, um Wasser zu holen.
    Auf solche Weise verlief der Abend, und wer nicht gewußt hätte, was vorgegangen war, hätte sich nur über das zerstörte weiße Zelt draußen auf der Wiese gewundert. Dorothy hatte bemerkt, daß Rote Krähe gegangen war. Die Gegenwart der anderen Gäste schien sie mit Resignation hinzunehmen. Niemand sprach sie an; ihr Kummer verlangte nicht nach Worten. Als die beiden alten Frauen auf der Lagerstatt einschlafen wollten und nicht konnten, spürte Hetkala, daß Dorothys Gesicht von Tränen naß war.
    Am folgenden Tag fuhr Hanska bei Sonnenaufgang Ray zu Krause und kam mit Ray und Untschida schon zur Mittagszeit wieder. Hetkala hatte unterdessen mit Dorothy über die gemeinsamen Pläne gesprochen. Diese hatte genickt und betrachtete jetzt unauffällig die fremde, Roch gewachsene Frau. Das Gesicht Untschidas war von Kummer in tiefe, hart gewordene Falten gelegt. Sie war mager, ihr graues Haar war dünn, ihre Hände waren abgearbeitet, von der braunen Haut wie von Leder überzogen. Die Adern traten dick hervor. Das alles nahm Dorothy mit einem Blick auf, ohne es wichtig zu nehmen. Was sie aber wie mit einer Fessel festhielt, das war der Ausdruck dieses alten Gesichts, das, was durch es hindurchschien. Sie erinnerte sich daran, was Arthur zu Ite-ska-wih gesagt hatte: Du bist schön, das ist unwichtig. Aber die Geheimnisse scheinen durch dich hindurch. Die alte hagere Untschida war ehrwürdig. Dorothy mochte sie bei sich haben. Diese Frau konnte Halt geben, denn sie hatte Schmerzen erlebt und trug sie. Ihr Sohn war erschlagen worden; sie hatte ihn des Morgens in seinem Blut auf der Straße gefunden. Ray hatte davon zu Dorothy gesprochen. Das waren Worte gewesen, die sie jetzt verstehen konnte.
    Man nahm eine Mahlzeit gemeinsam ein. Dann machten sich die Gäste auf den Weg; Iliff nahmen sie mit. Sie wußten, daß sie Untschida und Ray bei Dorothy würden besuchen dürfen. Aber Rote Krähe sollte nie wieder zum kahlen Berg kommen.
     
    In der folgenden Zeit hätten Hetkala, Hanska und Ite-ska-wih so glücklich sein können, wie es ihre Vorfahren gewesen waren, wenn die Familie ein großes, prächtiges Zelt aufstellte. Sie waren wirklich glücklich, aber nicht in der Weise ihrer Vorfahren; ihr Glück war nur ein heller Schein auf einem schwarzen Grund. Dennoch atmeten sie es ein wie unverfälschte, erfrischende Luft. Wasescha hatte in mühseliger Arbeit zwölf lange, kräftige, aber nicht zu schwere Stangen gesucht und geschnitten, Tatokala hatte sie an der Spitze gebündelt; Hanska legte das bemalte Büffelleder darum, das die Killer hatten liegen lassen. Gemeinsam begannen die künftigen Bewohner, das Tipi mit ihren wenigen Habseligkeiten einzurichten. Bis dahin hatten

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