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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Wasescha und Tatokala in einem kleinen, von Bob und Melitta geliehenen Zelt gehaust.
    Tatokala und Ite-ska-wih sammelten Feuerholz, Wasescha und Hanska brachten das Zeltfeuer in einer kreisrunden flachen Vertiefung in der Mitte des Zeltes in Gang. Die kleinen Flammen züngelten an den Zweigen, die Wasescha langsam ins Feuer schob. Der Rauch zog durch die Luftklappe an der Zeltspitze ab und konnte aufmerksamen Feinden verraten, daß an diesem Platz wieder gewohnt wurde. Vor dem Zelt lag der graue Wolfshund. Die Pferde grasten noch. Die Männer rauchten, die drei Frauen stickten mit gefärbten Stachelschweinsborsten.
    Oiseda, Leiterin des Indianermuseums in New City, würde gute traditionelle Handarbeiten zum Verkauf annehmen, auch Frau Holland, Schuldirektorin, kaufte ausgezeichnet ausgeführte Stickereien als Muster für die Schülerarbeiten an. Missis Whirlwind, die Frau des großen indianischen Ranchers, prangte gern mit echten indianischen Handarbeiten. Für ein Medaillon wurden 25 bis 35 Dollar bezahlt. Der Verkauf von zwei Medaillons im Monat konnte eine Familie vor dem ärgsten Hunger bewahren.
    Wasescha und Tatokala sahen abgemagert aus; zwei Monate der größten Entbehrungen hinterließen ihre Spuren. Hanska und Ite-ska-wih hatten bei Großmutter Dorothy schon ein wenig zugelegt.
    Als die Stille um das Zeltfeuer lange genug gewährt hatte, um jeden zu einem gewissen Abschluß seiner Gedanken und Gefühle kommen zu lassen, und die Nachrichten aus dem krächzenden kleinen Radio nichts erheblich Neues gebracht hatten, nahm Wasescha das Wort.
    »Es kommt jetzt das harte Jahr, das wir ertragen müssen, bis wir den Killerchief abwählen können. Habt ihr das schon alle bedacht? Manchen von uns kostet dieses Jahr noch das Leben. Der Killerchief wird sich an allen rächen, die gegen ihn aufgestanden sind und weiter gegen ihn arbeiten werden.«
    »Aber wir halten still, ja, ja.« Hanskas erbitterte Stimmung ging in Ironie über.
    »Vielleicht kommen wir auf einem neuen Weg weiter, Hanska. Ich war bei dem jungen Pedro – ihr wißt, er ist der Sohn einer tapferen Familie unseres Stammes. Er hat sein Versprechen wahr gemacht; er übernimmt den legal organisierten Kampf für die Bürgerrechte auf unserer Reservation. Damit haben wir das Bündnis mit den Bürgerrechtlern in unserem ganzen großen Land.«
    »Du glaubst viel, Wasescha. Das war sonst nicht deine Art.«
    »Zuviel, meinst du? Wir werden sehen.«
    Da alle anderen im Kreis schwiegen, fügte Wasescha selbst noch hinzu: »Schwierig wird es sein, für uns Männer Arbeit zu finden. Viele haben keine Arbeit. Aufständische wird man nicht bevorzugen!«
    »So ist es, Wasescha. Es hat aber keiner von uns Lust, bei Mississ Carson um Wohlfahrtsgelder der Verwaltung zu bitten.«
    »Richtig, Hanska. Was werden wir also tun?«
    »Lehrer wirst du nicht mehr, Wasescha, solange der Killerchief regiert; Schreiber in den Büros auch nicht. Cowboy wird nicht einmal Percival bleiben, der diese Arbeit versteht. Ich kann mich zu den Rodeos melden, die im Sommer beginnen, und den einen oder anderen Preis gewinnen. Da fragt keiner nach ›aufständisch gewesen‹ oder nicht. Alles in allem werden unsere paar Dollars übers Jahr reichen, wenn ich nicht zuviel Auto fahre. Das Gras für die Pferde ist bei dir umsonst, Wasescha. Im Winter werden sie eben mager wie die ganze Natur, und Krause muß meinen Kredit verlängern.«
    »Du sagst, was wahr ist«, antwortet Wasescha. »Wer geht nun für uns einkaufen in die Agentursiedlung? Wir müssen auch an das einfache Leben denken.«
    »Ich gehe einkaufen«, erklärte Hetkala. »Manchmal nehme ich Ite-ska-wih mit, damit die Leute sich an das neue Gesicht gewöhnen und nichts mehr dabei finden. Sie spricht gut englisch. Das ist jetzt ein Vorteil für sie bei so manchen hier. Ihre Vorfahren sind von unserem Stamm. Darum sind ihr die andern gewogen. Sie war im Ring. Darum sind ihr die dritten feind.«
    Sobald eine weitere Pfeife ausgeraucht war und die Frauen ein Teilmuster fertig gestickt hatten, suchte man die Nachtlager auf. Es hatte abends stark geregnet. Reisig und ein paar Decken gaben Schutz gegen die Feuchtigkeit des Bodens.
    Ite-ska-wih wärmte sich in Hanskas Armen.
     
    Die Wochen gingen dahin. Es wurde Frühsommer. Das Gras schoß kräftig in die Höhe, die Kiefern trieben grüne Spitzen, der Boden wurde trockener, die Sonne wärmte. Die Vögel sangen. Hin und wieder ließ sich ein Raubvogel sehen. Hanska rührte die beiden schwierigen

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