Das Herz aus Eis
Fäusten wie Schmiedehämmer, hatte seine Rinderfarm erst vor zehn Jahren gekauft. Reich und eingebildet tauchte er zu diesem Zeitpunkt das erste Mal in Mexiko auf. Als Farmarbeiter stellte er, zur allgemeinen Verwunderung der Bevölkerung, ausgerechnet jene Leute ein, die sich normalerweise vor ehrlicher Arbeit drückten und lieber in Kneipen und Bordellen ihr Unwesen trieben. Noch merkwürdiger aber war es, daß diese zwielichtigen Gestalten tatsächlich seiner Arbeitsaufforderung nachkamen. Die Überfälle auf den nächtlichen Autostraßen hörten ab diesem Zeitpunkt auf. Allerdings mehrten sich die klug durchorganisierten Einbrüche und Viehdiebstähle im Umkreis von Mexiko-City. Doch niemand wagte es, auch nur im entferntesten darin einen Einfluß des Marques zu vermuten.
Roberto del Villeria, der sowohl über Juana als auch von Lumubra von diesen Eigenschaften des reichen Rinderzüchters erfahren hatte, sattelte am nächsten Tag sein Pferd und ritt allein der Farm entgegen, um – wie er Maurillio sagte – einmal das Land kennenzulernen und möglicherweise Arbeit zu finden.
Als Villeria in den weiträumigen Hof des Herrenhauses einritt, lief ihm gleich der sehr junge Verwalter des Gutes entgegen und fragte nach dem Grund seines Besuches.
»Ich möchte den Caballero Marques sprechen«, sagte Villeria und sprang aus dem Sattel. »Melden Sie ihm den Caballero Roberto del Villeria aus Veracruz. Ich habe wenig Zeit!«
»Sofort, Señor!« Der Mann verbeugte sich und verschwand im Haus.
Mit Kennerblick sah sich Villeria in dem Hof um. Vor ihm lag das einstöckig gebaute Herrenhaus, links und rechts die Gesindehäuser aus luftgetrocknetem Lehm und roh gebrochenen Steinen. Den Abschluß des Vierecks bildeten die Ställe für die Pferde. Ein breites Tor war der einzige Ein- und Ausgang in den weiten Hof.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Verwalter zurückkam und Villeria durch ein Gewirr von Fluren und Zimmern in den Arbeitsraum des Marques führte. Dort ließ er ihn stehen und entfernte sich schnell.
Villeria war allein in dem großen, hellen Raum und betrachtete gelangweilt den sanft schnurrenden Propeller des Ventilators, der mitten im Zimmer von der Decke hing. Plötzlich kroch das unangenehme Gefühl in ihm hoch, beobachtet zu werden. Um seine Nervosität zu verbergen, steckte er sich einen langen Zigarillo an und versuchte, in regelmäßigen Zügen zu rauchen.
Ein leises Geräusch hinter seinem Rücken ließ ihn innerlich zusammenzucken, aber er drehte sich nicht um.
»Ich heiße Sie willkommen, Señor Villeria«, hörte er eine tiefe Stimme. Schwere Schritte ließen die Bodenbretter leicht vibrieren, und die massige Gestalt des Marques tauchte aus einer unübersichtlichen Ecke des Zimmers vor Roberto auf und ging an ihm vorbei zum Schreibtisch. »Sie kommen aus Veracruz?«
»Nein, Señor.«
»Ach!« Der Marques schaute ihn sichtlich interessiert an, und seine buschigen Augenbrauen hoben sich leicht. »Sie sagten doch meinem Verwalter, daß Sie …«
Villeria winkte lässig ab und lächelte. Der Zigarillo wippte zwischen seinen Lippen. »Mich empfiehlt Pietro Maurillio, genügt Ihnen das?«
»Ah, ja. Aber warum ist Ihr Spanisch so schlecht?«
»Ich bin amerikanischer Staatsbürger. Vor sechs Wochen überquerte ich nachts illegal die Grenze.«
Der Marques ließ sich schwer in den Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Er blätterte in einem Stoß zusammengehefteter Papiere und schien etwas zu suchen. Endlich blickte er auf. »Rauschgiftschmuggel?« fragte er und musterte Villeria durchdringend.
»Nein.«
»Raubüberfall?«
»Auch nicht!«
»Was denn, zum Teufel?«
»Mord!«
Die Augenbrauen des Marques zogen sich nachdenklich zusammen. Wieder widmete er sich den Papieren, die vor ihm lagen.
Das offensichtliche Suchen des Marques machte Villeria Spaß. »Blättern Sie nicht weiter in den Ihnen vorliegenden internationalen Steckbriefen, Señor«, empfahl er. »Die Sache ist schon über ein Jahr her. Ich habe die Filmschauspielerin Valeria Thurner erschossen.«
Der Marques sprang auf und war mit zwei Riesenschritten bei Villeria. Er packte ihn an beiden Schultern, schüttelte ungläubig den Kopf, schien sich an etwas erinnern zu wollen und gab es schließlich resigniert auf. Sein Gesicht war von leichter Enttäuschung gezeichnet. »Sie sind also der geheimnisvolle Mörder, den die New Yorker Polizei so fieberhaft verfolgte?«
»Ja. Ich bin Jack Fenton!«
»Dann verraten Sie mir mal, auf
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