Das Herz aus Eis
mit dunklem, stets nervös umherirrendem Blick, wandte sich gerade seinem Begleiter zu, einem kleinen, drahtigen, schmierigen Mestizen, der sich wie ein Affe an sein hohes Reitpferd klammerte. Große, weitkrempige Strohhüte schützten beide vor der höllisch brennenden Mittagssonne.
»Lumubra«, sagte der erste Reiter und winkte den Mestizen herrisch heran. »Wie weit ist es noch bis Buena Vista? Ich habe diese verdammte Kakteenwüste satt, und außerdem geht unser Wasser zu Ende!«
»Kakteen enthalten Wasser genug«, grinste der Mestize einfältig und trabte heran. »Señor del Villeria brauchen nicht ungeduldig zu sein. Bis Mexiko-City sind es noch gut vierzehn Tage zu Pferd! Es wäre vielleicht besser, bald zu rasten und dann über Monterey nach Matamoros zu ziehen!«
»Red keinen Blödsinn!« antwortete Roberto del Villeria scharf und wandte sich ab. »Matamoros liegt mir zu nahe an der Grenze nach Texas. Ich bin nicht umsonst quer durch Mexiko gezogen, um zum Schluß den USA wieder näherzukommen. In Gottes Namen denn, noch vierzehn Tage durch diese Gluthölle von Wüste – aber bloß weg von der Grenze!«
Er sah nicht, wie der Mestize verschlagen feixte, sondern spornte sein Pferd an und trabte weiter durch die sonnenverbrannte Gegend.
Roberto del Villeria – niemand wußte, ob er tatsächlich so hieß – war trotz seines mexikanischen Aussehens das erste Mal in Mexiko, und zwar ohne Paß, Einreiseerlaubnis oder sonst einem Stempel des mexikanischen Konsulats von Arizona. Er war in einer sternenlosen Nacht der Einfachheit halber mit seinem kleinen Sportwagen in einer einsamen Gegend nahe der Stadt El Paso über die Grenze gefahren, hatte im Höllentempo den bewachten Schienenstrang der Süd-Pazifik-Bahn gekreuzt und hatte erst aufgeatmet, als er jenseits der Bahnlinie in die kleine, schmutzige mexikanische Stadt Banderas einfuhr und einem Kolonialwarenhändler sein Auto verkaufte. Von dem Erlös erstand er eine landesübliche Reisekleidung, zusammen mit einem riesigen Sombrero, vier Lasteseln und zwei billigen Reitpferden. Dann fand er in einer üblen Schnapsspelunke den mit der Umgebung vertrauten Lumubra, engagierte ihn als Führer bis nach Mexiko-City und war vor drei Wochen losgetrabt, verbissen, mutig und unerschrocken der zu überwindenden Entfernung gegenüber. In Chihuahua hatten sie vier Tage gerastet und Proviant und Wasservorrat in stabilen Kanistern aufgeladen. Nun hatten sie den Rio de la Conchos überquert und ritten durch die glühende Sonne durch das Hochland des Bolsón de Mapimi.
Roberto del Villeria trachtete danach, möglichst schnell nach Mexiko-City zu kommen, dort seine Finanzen auf irgendeine Weise aufzustocken und danach entweder nach Guatemala oder Costarica weiterzuziehen.
Warum er es so eilig hatte, möglichst weit weg von den Grenzen der USA zu gelangen, war unbekannt. Lediglich Lumubra hatte einmal beobachtet, daß Villeria in Chihuahua vor einem Plakat erschrak, das eine Belohnung von 1.000 Dollar für die Ergreifung eines Jack Fenton versprach. Es war auffällig gewesen, wie schnell sie danach die Stadt verlassen hatten.
Verstärkt wurde Lumubras Mißtrauen durch eine Entdeckung, die ihm äußerst alarmierend erschien. Roberto del Villeria trug in seiner Satteltasche ein verschnürtes Paket, das er wie seinen Augapfel hütete. Während der Nachtruhe legte er sich den Sattel unter seinen Kopf, und manchmal, wenn Villeria wohl dachte, daß der Mestize schlief, setzte er sich an das noch glühende Lagerfeuer, öffnete das Paket und betrachtete völlig versunken etwas, was Lumubra nicht erkennen konnte.
Stumm ritten sie weiter durch die Hochebene, rasteten nach Einsetzen der stärksten Mittagshitze unter einer Riesenagave und setzten den Marsch erst am Spätnachmittag wieder fort. Als es Nacht und empfindlich kalt wurde, hielten sie in einem weitläufigen Kakteendickicht, sattelten ab und entluden die Tiere, entfachten aus dem herumliegenden Wurzelholz abgestorbener Agaven ein Feuer, brieten ein Stück Pökelfleisch und rollten sich dann, in wollene Decken gehüllt, am Feuer zum Schlafen zusammen. Es dauerte nicht lange, da verrieten tiefe, regelmäßige Atemzüge, daß Roberto del Villeria schlief.
Lumubra war noch hellwach und grübelte. Wenn ein Mann zu Pferd quer durch Mexiko zieht, die Eisenbahn meidet und allen größeren Siedlungen aus dem Wege geht, dann birgt er ein Geheimnis. Das Paket in der Satteltasche wollte ihm nicht mehr aus dem Sinn, und es setzte sich
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