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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Oberst auf den Tisch. Dabei berührten sich ihre Hände wieder; sie sahen sich an, mit flatternden Augen und verkniffenen Gesichtern, jeder sich zwingend, daran zu denken: Er ist ein Feind … sie ist ein Feind … Ich muß ihn hassen … ich muß sie hassen …
    Major Sukow atmete tief. »Wer hat Krieegg angefangen?« fragte er plötzlich. Dr. Portner nickte.
    »Er kann deutsch! Und sprechen kann er auch!«
    »Wer ist gekommen nach Rußland?«
    »Wir.«
    »Bittäää …«
    »Was heißt bitte? Natürlich wissen wir, daß wir hier als Feinde in Stalingrad hocken, und nicht als beliebte Touristen. Oder glauben Sie, daß ich hier im Keller sitze, umgeben von zweitausend Verfaulenden, weil es mir Spaß macht? Macht es Ihnen etwa Freude, hier zu stehen, statt in einem sauberen, gekachelten OP im Krankenhaus von Charkow oder Swerdlowsk? Man hat uns alle verkauft, Sie und mich, für politische Ziele, die keiner von uns versteht, denn wir wollen ja bloß leben, ruhig und friedlich leben! Das klingt lächerlich primitiv, aber es ist so! Warum marschieren Sie los, wenn Stalin dawai sagt … und warum marschieren wir, wenn Hitler marsch sagt?! Millionen hier, Millionen dort … sie alle geraten in Bewegung, weil zwei Männer es so wollen! Warum? Warum wälzen sich diese Millionen nicht über diesen einen Mann? Das wäre doch einfacher und logischer! Mein lieber Kollege, bemühen Sie sich nicht mit Argumenten … auf diese Frage hat es seit Jahrhunderten keine Antwort gegeben. Und es wird auch nie eine geben, weil die Millionen immer dorthin latschen werden, wohin einer winken wird. Das ist der Herdentrieb des Menschen, das Schafshirnige, das wir noch immer in uns haben. Wenn ein Hammel blökt, rennen die anderen nach … um sich selbst zu beruhigen, nennt man das dann Politik!«
    Dr. Portner hob die Schultern. Sein Gesicht war von Schweiß überströmt. »So, und nun wollen wir uns mal den Oberst Sabotkin angucken …«
    Dr. Sukow antwortete nicht! Wortlos stieß er sich von der Mauer ab, zog Mantel und Rock aus, streifte die Ärmel seines Hemdes hoch, tauchte die Hände in die Lysollösung und trat neben die Pannarewskaja an den Küchentisch. Dr. Körner und einer der sowjetischen Träger hatten den Oberkörper Sabotkins entblößt … die Ein- und Ausschüsse waren verkrustet und bluteten nicht mehr. Aber die gelbliche Färbung der Haut bewies, daß der Oberst innerlich verblutete. Dr. Körner und Olga Pannarewskaja verständigten sich durch einen Blick. Es war hoffnungslos. Auch Dr. Portner sah es und stützte die Hände auf den Tisch.
    Anders Andreij Wassilijewitsch Sukow. Er legte die Hände fast zärtlich auf den Bauch des Obersten und warf dann den Kopf zu Olga herum.
    »Was ist denn?« schrie er. Entsetzt starrte ihn die Pannarewskaja an.
    »Du bist verrückt, Andreij«, sagte sie leise.
    »Skalpell …«
    Dieses Wort verstand auch Dr. Portner. Er beugte sich zu Dr. Sukow vor.
    »Das ist doch Zeitverschwendung …«
    »Oberst Sabotkin ist ein Held der Nation!« sagte Sukow hart.
    »Himmel, Arsch und Zwirn … hier in den Kellern liegen über zweitausend Helden der Nation!« schrie Dr. Portner. »Wollen Sie hier eine friedensmäßige Bauchoperation vornehmen?!«
    »Ja.«
    »In aller Ruhe, was?!«
    »Ja.«
    »Runter mit dem Kerl vom Tisch!« schrie Dr. Portner. »Jedes Theater ist so lange gut, wie es logisch ist!«
    Dr. Sukow winkte einem der Träger. Er nahm ihm eine Tasche ab, die dieser um den Leib geschnallt trug, und öffnete sie. Sie war gefüllt mit Ampullen aller Art, ein paar waren zerbrochen, es schwappte in der wasserdichten Ledertasche. Dr. Portner starrte auf die gläsernen Phiolen.
    »Was soll das?«
    Dr. Sukow machte eine darbietende Handbewegung. »Ich tausche, Kollege. Oberst Sabotkin gegen Tasche voll Medikamente. Alles Anästhesiemittel …« Er lächelte mokant. »Sie haben keine Anästhesiemittel mehr?«
    »Nein …«
    »Bittää … gegen Oberst …«
    »Ich könnte Ihnen die Tasche ja einfach abnehmen. Sie sind mein Gefangener, Dr. Sukow.«
    »Ehe Sie zugreifen, ich sie an die Wand geworfen habe. Es wäre Dummheit, Kollege …«
    Dr. Portner sah noch einmal auf die Ampullen. Anästhesiemittel, dachte er. Mein Gott, das reicht für eine Woche, wenn man sparsam ist. Und die Russen schleppen das mit sich herum, als seien es Probefläschchen von Wodka …
    Er drehte sich um, zu dem Küchentisch. Dort hatten Olga Pannarewskaja und Dr. Körner bereits den Bauch des Obersten Sabotkin und die Bauchhöhle

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