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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bei dem war's besonders schlimm. Der sah in jeder Haustür nackte Meechen. Mit der Hose übern Rücken lief der rum, bis sie'n kassierten.« Knösel tippte an seine Stirn. »Und du siehst 'nen Russen bei mir. Emil, werd mir nich schräg …«
    Beleidigt kroch Rottmann zurück in den sicheren Lazarettbereich. Knösel folgte ihm nach einigen Minuten. Er stopfte sich erst seine Pfeife mit dem Tabak und der Kippe Kaljonins. Dann lehnte er sich an die Mauer, und während um ihn herum die Gewehrgranaten explodierten, rauchte er genußvoll seine Pfeife leer.
    Eine Pfeife mit richtigem Tabak. Es schnurgelte und brutzelte im Pfeifenkopf, es war eine wahre Pracht. Selbst die Sotte war köstlich; Knösel schluckte den scharfen Saft, der aus dem Mundstück tropfte, wie Baldrian.
    Das war eine jener Minuten, in denen ein glücklicher Mensch seine Umwelt völlig vergißt.
    Eine Stunde später brachte ein Stoßtrupp die verwundete Vera Kaljonina in den Keller Dr. Portners. Man hatte sie aufgegriffen, als sie mit zwei Gummisäcken voller Trinkwasser durch die Straßen kroch. Sie hatte sich gewehrt wie eine Katze. Erst ein Kolbenhieb über den Kopf machte sie stumm. Das war ihre Verwundung, eine Platzwunde über der Stirn.
    Dr. Sukow verband sie, nachdem er sie wie eine Schwester umarmt und geküßt hatte.
    »Sollen wir ein Kaffeekränzchen machen?« sagte Dr. Portner bitter. »Noch ist Krieg, Genossen!«
    »Nicht mehr lang«, sagte Dr. Sukow ernst.
    Dr. Portner hob beide Hände gegen den Himmel. »Ihre Weissagung in Gottes Ohr, Kollege. Schön wär's.«
    Für Knösel war es klar, wer die neue Gefangene war. Er brauchte nicht zu fragen. Bei der ersten passenden Gelegenheit, und Knösel schaffte sie, indem er dem fiebernden Oberst Sabotkin etwas zu trinken brachte, redete er Vera Kaljonina an.
    »Kannst du Deutsch?«
    »Ja. Von Schulä.«
    »Ich soll dich grüßen von Iwan –«
    »Nein!« Veras Herz setzte aus. Sie preßte die Hände gegen ihre Brust. Knösel seufzte. Er beneidete die Hände. »Du ihn kännän …?«
    »Ja. Er hat gesagt, ich soll mich um dich kümmern.« Knösel suchte in seinen Taschen etwas. Endlich fand er es … die Stoffäden, die Kaljonin ihm mit dem Tabak in die Hand gedrückt hatte. »Das ist von seiner Uniform –«
    Vera nahm die dünnen Fäden und sah sie an. Ihre schönen, runden Augen glänzten. Sie drückte die dreckigen Fäden an die Lippen und küßte sie.
    »Wanja«, sagte sie zärtlich. »O Wanja …«
    Mit einem Gesicht, als wolle er losheulen, verließ Knösel den Keller. Später saß er oben neben dem Leichentrichter IV und starrte in die Ruinenstadt.
    Der Morgen dämmerte auf. Von der Wolga pfiff der Wind. Über die Trümmer stob der Schnee.
    Ob Mariechen mich auch so liebt, dachte er. Drei Monate habe ich nichts mehr von ihr gehört. O Mariechen –
    Es waren 37 Grad Frost. In der Steppe rollten die sowjetischen Panzer die deutschen Linien auf. Der Kessel wurde eingedrückt. Gondschara mit seiner berühmten Schlucht ging verloren, im Süden stand der Russe vor Woroponowo. An dem eingegrabenen Panzer vorbei, in dem Kaljonin mit seiner Gruppe gehockt hatte, donnerten die T 34 und durchstießen die deutschen Verteidigungen, die aus Schneelöchern bestanden. Tausende aller Waffengattungen strömten in die Stadt. Auch das Armeeoberkommando mit Generaloberst Paulus und dem gesamten Stab zog in das Ruinenfeld Stalingrad. Es geschah sogar vorschriftsmäßig … einige Quartiermacher durchkrochen die Trümmer und warfen den Stab der 71. Infanterie-Division aus seinem Gefechtsstand. Er wurde für das Armeeoberkommando als besonders geeignet auserwählt. Die 71. Infanterie-Division verkroch sich in das Kellerlabyrinth des GPU-Hauses.
    Dr. Portner bekam einen Vorgeschmack von der Nähe der Armeeführung. Ein Major erschien bei ihm im Keller, stieg über die faulenden, gekrümmten, wimmernden Körper und stellte sich neben den Arzt. Portner sah kurz auf. Er suchte mit einer Sonde nach einem Geschoß im großen Rückenmuskel.
    »Sie wünschen?«
    Der Major mit den rosaroten Streifen des Generalstäblers an den Hosen drückte das Kinn an.
    »Wer ist der Orang-Utan oben vor dem Keller?«
    Dr. Portner lächelte schwach. »Sie meinen Knösel?«
    »Der Mann wird sich morgen bei der Division melden.«
    »Warum?«
    »Er rief mir den Götz entgegen, als ich ihn anhielt, weil er nicht grüßte. Unerhört!«
    »Herr Major –« Dr. Portner tippte mit der Sonde auf das zuckende, aufgerissene Fleisch. »Es ist Ihnen

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