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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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warum?« Dr. Portner hob sich ein kleines Stück Pferdefleisch bis zuletzt auf. Er schob es im Kochgeschirrdeckel hin und her und löffelte erst die Wasserbrühe und die zehn weißen Bohnen. Knösel zählte sie immer gewissenhaft ab. Ob Schütze oder Stabsarzt … zehn Böhnchen am Tag. »Das habe ich mich auch gefragt. Auf alle Erkundigungen nach der schicken Olga gibt er keine Antwort. Aber er weiß, wo sie ist, so wahr wie ich jetzt dieses Klümpchen Fleisch esse, als sei es eine Spargelspitze, in Butter geschwenkt …« Er klopfte Dr. Körner auf die Schultern und drückte ihn auf den Strohsack zurück. »Schlafen Sie erst mal! Sie fallen ja aus der Hose! Sukow vertritt Sie. Sehen Sie sich bloß an, wie er arbeitet. Wie eine Maschine, die darauf eingestellt ist, Glieder abzuhacken. Körper rauf, knack-knack, Körper runter. Der nächste. Der Mann ist ein Phänomen. So etwas würde bei uns nie Ordinarius, weil alle anderen Mediziner vor seinem Können Angst hätten und Minderwertigkeitskomplexe. Nur ein Muffel ist er … er spricht kein Wort.«
    »Er verachtet uns.«
    »Ach nee! Sagt das die Olga?«
    »Ja.«
    »Und warum?«
    »Er ist Bolschewist durch und durch. Er kommt sich uns überlegen vor. Er ist der Sieger.«
    Dr. Portner sah zu Dr. Sukow hinüber. Mit seinen beiden Krankenträgern und einem deutschen Assistenzarzt schob er die Leiber der Verwundeten über das Fließband seines Operationstisches. Er schien keine Müdigkeit zu kennen, keine physische Erschöpfung … der Anfall von Schwäche, den er nach der Operation an Oberst Sabotkin gehabt hatte, war der einzige gewesen. Seitdem stand er da, hemdsärmelig, blutbespritzt, nach Eiter stinkend … operierte, wusch sich, operierte weiter, stumm, mit zusammengezogenen Brauen, verkniffenen Lippen. Mit einem Skalpell, ein paar Klammern, einem scharfen Löffel, Nähmaterial aus zerrupften Seidenschals und seinem umwickelten Hammer, mit dem Auge Stalins auf der Schlagfläche.
    Dr. Portner wollte etwas sagen, aber er schwieg. Neben ihm war Dr. Körner im Sitzen eingeschlafen. Auch die Sorge um die Pannarewskaja war nicht so stark wie seine Erschöpfung.
    Dr. Portner stand auf und trat neben Dr. Sukow.
    »Ich mache weiter.«
    »Warum?«
    »Sie müssen doch umfallen vor Müdigkeit.«
    »Wir fallen erst um, wenn es nötig ist!« Das klang stolz und unwiderruflich. Dr. Portner ging zu seinem Strohsack zurück und setzte sich wieder.
    Er ist ein Asiate, dachte er. Er ist zäh wie Steppengras.
    Iwan Iwanowitsch Kaljonin war ein armer Mann. Das muß jeder einsehen, der begreift, was es heißt, sechs Tage lang durch eine Ruinenwüste zu irren und sein Weibchen zu suchen.
    Dazu verfolgte ihn das Pech. Immer, wo er auftauchte, hatte man Veraschka gerade gesehen. Schließlich war es so, daß man sich selbst nachlief und im Kreise herumirrte. Wo Vera erschien, erzählte man ihr von Kaljonin. »Wo ist er jetzt? Wo?!« rief sie und rannte davon. Das gleiche passierte Kaljonin. Er hüpfte vor Freude, wenn er erfuhr, daß Vera noch lebte und rannte davon. Irgendwo mußte man sich ja treffen, so groß war keine Stadt, daß sich zwei Liebende nicht begegnen mußten. Aber es gab in Stalingrad einige tausend Keller, und in diesen Kellern hockten Frauen und Kinder, aßen Hirsebrei in Schneewasser oder fauligen Kohl. Ein Glücksfall war es, daß ein Trupp der zivilen Miliz im staatlichen Magazin einen zugeschütteten Keller aufgeschaufelt hatte, in dem man sechshundert Sack Hühnerfutter fand.
    Das war ein Fest, anders konnte man es nicht nennen. Man umarmte sich, man küßte sich auf beide Backen, als sei es Osterfest, man betastete die Säcke und freute sich über den Bauch, der beim Anblick des Eßbaren wieder knurren konnte.
    »Genossen, Freunde, liebe Brüder –«, sagte Genosse Iwan Grodnidsche vom Parteikomitee mit erregt zitternder Stimme und so feierlich, wie es sich gebührte. Er war sofort herbeigeeilt, um den Fund zu besichtigen und – Beamte gibt es auch in Rußland, Freunde, und was für welche! – die Rationierung einzuleiten. »Hier haben wir Mehl, Kleie, Mais, Grütze und –« Iwan Grodnidsche hob die Augen an die Kellerdecke – »Fische! Zwar trockene und gesalzene Fische, aber es sind Fische, Genossen! Es ist Eiweiß und Vitamin. Sechshundert Sack!« Er sah sich um und blähte sich in Stolz auf, wie es die Propaganda vorschrieb. »Sieg, Genossen! Voran mit dem Genossen Stalin!«
    »Voran mit Stalin!« brüllten die Umstehenden.
    »So!« Iwan Grodnidsche setzte

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