Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hohl.
    »Nun machen Sie schon!« sagte Dr. Portner ungeduldig.
    Der Aluminiumdeckel klappte hoch. Ein Karton wurde sichtbar. Ein großes blaues Kreuz war ihm aufgedruckt. Dr. Körner klatschte in die Hände wie ein beschenktes Kind.
    »Sanitätsmaterial! Wenn das Ampullen mit Morphium sind … ich gehe vor Freude die Wand hoch!«
    Dr. Portner wölbte die Unterlippe vor. »Im allgemeinen ist das Sanitätskreuz rot, nicht blau.«
    »Die hatten jerade blaue Farbe, Herr Stabsarzt«, sagte Knösel.
    »Quatsch. Da liegt ja der Transportschein.«
    Dr. Portner nahm einen Packzettel aus der Kiste und faltete ihn auf. Er überflog ihn, stutzte, las noch einmal und sah Dr. Körner ratlos an. »Hören Sie sich das an«, sagte er mit belegter Stimme. »Inhalt zweimal geprüfte Präservativs, gepackt in Dreierschachteln zu 90er Paketen. Gesamt 9.000 Stück. Bitte –« Er reichte Dr. Körner den Packzettel hin. »Nun wissen Sie es!«
    »Wat is det?« fragte Knösel und starrte auf die Kiste.
    »Suppenwürze, Sie Idiot!« Dr. Portner winkte. »Kommen Sie, Körner … denen werde ich etwas sagen!«
    Er setzte sich selbst an das Feldtelefon und rief die Division an. Am anderen Ende war ein Hauptmann.
    »Geben Sie bitte an das Armeeoberkommando durch mit der Bitte, es per Funkspruch ans Führerhauptquartier zu melden: 21. Januar 1943, Feldlazarett III, Stalingrad-Stadt, Kinokeller: Haben Abwurf der Nachschubbombe empfangen. Bestätigen dankend den Empfang von 9.000 Präservativs zur Verwendung für zur Zeit 3.267 Verwundete und Sterbende. Bitten um Nachricht, wann die nötigen Frauen dazu abgeworfen werden. Dr. Portner, Stabsarzt. – Haben Sie?«
    Am anderen Ende, bei der Division, war es einen Augenblick still. Dann sagte eine völlig konsternierte Stimme:
    »Wer spricht da?«
    »Dr. Portner.«
    »Verzeihung, aber sind Sie verrückt?«
    »Ich nicht. Aber anscheinend die Transportstaffel unserer Luftwaffe.«
    »Ich gebe Ihnen den Herrn General.«
    General Gebhardt sprach sofort, er hatte anscheinend mit einem zweiten Hörer das Gespräch verfolgt.
    »Portner –«, sagte er jovial. »Ich kenne Ihren Sarkasmus, aber –«
    »Bitte Herrn General versichern zu dürfen, daß wir seit einer Stunde wirklich im Besitz einer solchen Kiste sind. Sogar tropenverpackt!« Die Stimme Dr. Portners flimmerte vor Erregung. »Ich habe immer geglaubt, daß es für uns wichtig ist, Brot, Büchsen, Hülsenfrüchte, Verbandmaterial, Anästhesiemittel und Munition zu empfangen, denn schließlich befinden wir uns laut Wehrmachtsbericht im heldenmütigen Abwehrkampf … aber was soll ich mit 9.000 Kondoms? Selbst Suppe kann ich daraus nicht kochen.«
    General Gebhardt schwieg. Dann sagte er leise: »Portner … vergessen Sie es.«
    »Es ist eine Sauerei! Seit fünf Tagen haben wir kaum etwas zu essen … die Leute sterben mir unter den Händen wie Eintagsfliegen –«
    »Ich weiß … überall ist es so.« General Gebhardt räusperte sich, seine Stimme wurde wieder klar. »Ich werde Ihre Meldung an die Armee durchgeben! Man scheint sich dort immer noch zu wundern, warum wir vor die Hunde gehen –«
    Dr. Portner legte auf. Er blickte zur Seite auf Dr. Körner. Er sah bleich und eingefallen aus, ein Totenschädel mit Haut darüber.
    »Tja, so ist das, mein Junge«, sagte Dr. Portner leise. »Es ist ein schreckliches Gefühl, ohne jede Hoffnung zu sein –«
    Durst macht wahnsinnig, Hunger macht apathisch. Nach den bohrenden Schmerzen im Leib, nach dem Brennen der leeren Därme, folgt die große Müdigkeit, die Gleichgültigkeit, das Hindämmern, das Sichverzehren von innen heraus. –
    In der Nacht zum 22. Januar klang über das Trümmerfeld Stalingrads die hüpfende, trillernde Weise einer Flöte. In den sowjetischen MG-Nestern hob man die Köpfe und lauschte verwundert. Auch Dr. Portner, der mit Körner und Sukow vor dem Keller stand und die frischen Verwundeten zwischen den Trümmern verband, hob den Kopf. Die Flöte trillerte und jubilierte. Ein zierliches Rokokostück, Galanterie degentragender Herren in Seidenhosen. Dr. Portner unterbrach das Verbinden.
    »Ein Flötenkonzert von Quantz. Ich kenne es zufällig.«
    Dr. Sukow lächelte still. »Schön«, sagte er. »Sehr schön – nur falscher Platz …«
    In einer Ruine, an einen Mauerrest gedrückt, saß der Gefreite Holger Bertram und blies seine Konzertflöte. Er war einmal Erster Konzertmeister im Orchester der Oper von Weimar gewesen. Zweieinhalb Jahre hatte er seine Flöte herumgeschleppt … nach

Weitere Kostenlose Bücher