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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Haagen starrte zu Dr. Körner. »Ich bitte Sie in aller Form um Verzeihung, Herr Assistenzarzt …«
    »Verzeihung!« schrie Dr. Portner. »Gäbe es keinen General Gebhardt, läge Dr. Körner jetzt füsiliert irgendwo in Gumrak auf einem Totenhaufen! Und Sie bitten in aller Form um Verzeihung! Was wollen Sie überhaupt hier?«
    Oberst von der Haagen richtete sich auf. Er schwankte im Stehen, aber er bemühte sich um eine straffe Haltung. Sein weißes Haar strich er aus dem Gesicht.
    »Ich stelle mich unter den Schutz des Roten Kreuzes.«
    »Was tun Sie?« fragte Dr. Portner völlig verblüfft.
    »Ich bitte Sie, mich als Versprengten aufzunehmen.«
    »Hier ist nur Platz für Sterbende. Versprengte lassen sich draußen beim Gefechtsstand ein neues Gewehr geben und legen sich in einen Trichter. Machen Sie es genauso. Kommen Sie wieder, wenn Sie zerfetzt sind!«
    »Herr Dr. Portner –«, von der Haagen zitterte wieder. »Ich bin verletzt … meine Nerven … ich bin am Ende meiner Kraft … ich bin völlig zermürbt …«
    »Hier ist kein Nervensanatorium für Stabsoffiziere!« brüllte Dr. Portner. Er war hochrot im Gesicht. »Hier wird für den Führer gestorben! Wenn Sie das wollen, bitte … die Fahrkarte dazu bekommen Sie draußen an jeder Ruine!«
    Es war plötzlich still im Keller. Die Sanitäter blickten zu der kleinen Gruppe, Dr. Sukow legte seine Hände auf den blutigen Tisch. Oberst von der Haagen schwankte. Dann brach er zusammen und fiel ohnmächtig auf den Strohsack Dr. Körners. Beim Niederfallen schabte er sich die Stirn auf an der rauhen Kellerwand … ein Blutstrom ergoß sich über das Gesicht. Dr. Portner fuhr sich verzweifelt durch die Haare.
    »Nun ist er doch verwundet«, sagte er. »Körner, säubern Sie seine Visage, und dann ab mit ihm zum Prominentenkeller –«
    So kam es, daß neben dem Ehepaar Kaljonin zwei Obersten Schulter an Schulter an der feuchten Wand lagen. Ein russischer und ein deutscher Oberst. Ein ›Held der Nation‹ und ein großmäuliger Feigling.
    Wie hatte von der Haagen damals in Pitomnik gesagt?
    »… dann stoßen wir zügig vor durch die Steppe bis zur Mongolei und marschieren in einem großen Bogen nach Wladiwostok …«
    Wie eine Welt zusammenschrumpfen kann …
    In dieser Nacht jagten zwei struppige Panjegäule über die Steppe. Sie trappelten längs des Tatarenwalls, immer an der herausgerissenen Bahnlinie entlang, deren Holzschwellen man längst verfeuert oder zu Suppenmehl geraspelt hatte. Hinter sich zogen sie eine Feldküche, eine Gulaschkanone. Auf dem Bock saß der Zahlmeister Erich Wrovel. Er hatte Pferde lenken gelernt. Er war Großbauer in der Soester Börde, hatte einen Viehhandel dabei und war Pächter der Wirtschaft ›Zum Krug‹. Das alles hatte ihn dazu prädestiniert, bis zu diesem Tage ein recht beschauliches Leben zu führen mit der Registrierung der Versorgungsgüter, die in Gumrak landeten. Nach einem Verteilerschlüssel buchte er die Nachschubgüter für die einzelnen Divisionen und Regimenter, legte sie schön bereit zum Abholen und wartete. Da aber niemand kam, um den Nachschub abzuholen, er andererseits aber keine Weisung hatte, die Versorgungsgüter den vorbeifahrenden LKWs draufzuwerfen, damit die Verpflegung auf diesem Wege die Truppen erreichte, saß er bald in einem prallen Lager voll Büchsen und Säcken, Kleidung und sogar Feldpostpäckchen, ärgerte sich über die Laschheit der Landser und stritt sich mit Offizieren herum, die nicht begreifen wollten, daß die Ausgabe von einem Tönnchen Fett ein Verwaltungsakt sei und nicht willkürlich gehandhabt werden könne. Nach der Eroberung von Gumrak verbrannte das pralle Lager des Zahlmeisters Erich Wrovel aus der Soester Börde. Er rettete zwei Panjepferde und eine Feldküche, packte sie voll Mehlsäcke, Butter, Fleischbüchsen und Nudeln und versteckte sich am Stadtrand Stalingrads in den Trümmern eines Straßenbahndepots.
    Am 23. Januar, als die Aufspaltung des Kessels begann, erfuhr Wrovel von durchziehenden Versprengten, daß auf dem Notflugplatz Stalingradski ein paar Jus gelandet seien und sogar Verwundete mitgenommen hätten. Das war eine Freudenbotschaft, die der Zahlmeister sofort in die Tat umsetzte. Er kochte mit den Nudeln, den Rindfleischbüchsen, den Suppenwürfeln und dem Mehl eine dicke Suppe, die ganze Gulaschkanone voll, bis oben an den Rand, drückte den Deckel zu, spannte seine beiden Panjegäule in die Deichsel und jagte los, nach Westen, wieder den Tatarenwall

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