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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Menschlichen sprengte. Einer hätte den anderen umgebracht, um sich einen Platz zu erobern, man hätte sich gegenseitig zerfleischt für die winzige Chance, aus Stalingrad hinauszukommen. So aber sah keiner hin, wenn Dr. Körner und die Unterärzte, Dr. Portner und die Sanis und sogar Dr. Sukow von Keller zu Keller gingen, von Leib zu Leib.
    Es war sinnlos, die auszufliegen, die auch in einem normalen Lazarett bei bester Versorgung keine Chance des Überlebens mehr hatten. Die aufgetriebenen Körper, die Wundbrände, die lebend Verfaulenden blieben an den Wänden und auf den Gängen liegen, ebenso die Kopfschüsse, die Wahnsinnigen, die in einem eigenen, immer verschlossenen Keller hausten, wie wilde Tiere, brüllend und wimmernd, im Wahn singend oder herumhockend in der Apathie völliger Verblödung. Frisch Amputierte, große Fleischwunden, ein paar mittelschwere Bauchschüsse, Erfrierungen, Flecktyphuskranke, Schußbrüche und glatte Durchschüsse wurden ausgesondert. Sie wußten nicht, warum … sie wurden, wenn sie nicht gehfähig waren, die Treppe hinaufgetragen und oben in den Trümmern abgestellt. Einige wehrten sich, brüllten, schlugen um sich … »Umbringen wollt ihr uns, ihr Schweine!« schrie jemand. »In der Kälte krepieren sollen wir! Warum schlagt ihr uns nicht gleich tot? Ihr Lumpen! Ihr Verbrecher!« Pfarrer Webern und Pastor Sanders beruhigten sie. Aber selbst ihnen wurde nicht mehr geglaubt. »Warum trägt man uns raus?!« wurden sie immer wieder gefragt. Sie durften die Antwort nicht geben, sie redeten um die Wahrheit herum. Die Verwundeten merkten es, mit dem Instinkt von gehetzten Tieren spürten sie, daß man ihnen etwas verbarg.
    »Ach, seien Sie still, Herr Pastor –«, sagte einer für alle zu Pastor Sanders, »auch Sie belügen uns! Immer sind wir belogen worden! Aber bei Ihnen wird das etwas anderes sein … da heißt es eine fromme, barmherzige Lüge! Wir pfeifen darauf …«
    »Beten Sie zu Gott, daß er bei Ihnen ist in den nächsten Stunden«, sagte Pastor Sanders still.
    »Beten! – Wir wollen wissen, was mit uns passiert!«
    Sanders schwieg. Immer neue Verwundete wurden an die Oberfläche getragen. In Decken, in Zeltplanen, in durchbluteten Säcken. Rund um den Kellereingang lagen sie in den Trümmern des Kinos und zitterten vor Kälte.
    Unterdessen telefonierte Dr. Portner mit General Gebhardt und einem Major, dem die Transportkompanien unterstanden.
    »Acht Lkw?« fragte der Major ungläubig. »Lieber Stabsarzt, ich kann Ihnen ein Vorderrad schicken, und auch das müssen Sie sich noch selbst aufblasen.«
    »Es liegt ein Befehl von General Gebhardt vor, daß 240 lebensfähige Verwundete morgen von Stalingradski ausgeflogen werden!« rief Dr. Portner erregt.
    »Dagegen habe ich gar nichts. Nur wie Ihre Schäfchen nach Stalingradski kommen, kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Mit Ihrer Staffel!«
    »Sie Witzbold!« rief der Major.
    »Ich rufe sofort den General noch einmal an!«
    »Das können Sie, Herr Stabsarzt. Und sagen Sie ihm einen schönen Gruß von Major Bebenhausen. Die Lkw stehen hier herum, in Reih und Glied, rieht – euch, Scheinwerfer geeeradeaus! – aber im Bauch haben die Zylinder nichts! Wer nichts trinkt, kann nicht pissen … wer keinen Sprit hat, kann nicht laufen. Ist das klar, Herr Stabsarzt?«
    Dr. Portner hieb mit der Faust auf den Tisch, auf dem das Feldtelefon und das winzige Funkgerät standen.
    »Sie haben Sprit, Herr Major!«
    »Nee, nicht mal fürs Feuerzeug.«
    »Ich weiß von General Gebhardt, daß Sie heute nacht 2.000 Liter Treibstoff bekommen haben –«
    »Was sagen Sie da?« Die Stimme von Major Bebenhausen überschlug sich fast. »Ich soll Sprit bekommen? Stabsarzt, davon weiß ich ja noch gar nichts. Da müssen die Kerle noch unterwegs sein … Mein lieber Doktor, wenn der Sprit hier ankommt – sicher ist das durchaus nicht –, dann verspreche ich Ihnen fünf Lkw!«
    »Acht –«
    »Seien Sie kein Levantiner und feilschen Sie nicht, Doktor!«
    »Ich habe 240 Verwundete und sechs Mann Begleitung zu transportieren!«
    »Dann legen Sie sie übereinander, Doktor. Stalingrad hat gezeigt, daß es möglich ist, auch Menschen zu stapeln. Wie gesagt … kommt der Sprit, schicke ich Ihnen fünf Lkw. Ende –«
    Dr. Portner legte auf. Chefchirurg Sukow stand in der Tür.
    »Alles oben«, sagte er in seinem harten Deutsch. »Genau 240. Einen mußten wir zurückschicken …« Dr. Sukow hob bedauernd beide Hände … »Ich mußte ihn schlagen. Leider

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