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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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deutscher Offizier.«
    Dr. Portner ahnte nichts Gutes. Er ging hinüber zu dem ›Prominentenkeller‹. Oberst von der Haagen lag an der Wand, sein Gesicht war verzerrt. Knösel stand vor ihm, die MP in der Hand.
    »Was soll denn das?« schrie Portner. »Knösel, sind Sie völlig verrückt geworden?«
    »Der Herr Oberst leidet unter Ortsstörungen. Er will immer nach oben zum Sammelplatz. Zweimal haben wir ihn zurückgeholt …«
    Oberst von der Haagen stemmte sich an der feuchten Wand hoch. Über sein Gesicht lief ein heftiges Zucken.
    »Doktor …«, stammelte er. »Ich habe gehört … die Kameraden da draußen werden ausgeflogen …«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Ich habe Ihr Telefongespräch mit dem General belauscht. Bitte, lügen Sie mich nicht an. Ich weiß es! Es sollen 240 Verwundete ausgeflogen werden.« Von der Haagen hatte sich etwas gefaßt. Seine Stimme hob sich. »Ich habe ein Recht, berücksichtigt zu werden! Ich bin verwundet, lebensfähig und Offizier –«
    »Darf ich entgegnen, Herr Oberst: Sie sind durch eigene Schuld – wenn ich es so zartfühlend ausdrücken will – verletzt worden, Ihre Lebensfähigkeit verpflichtet Sie dazu, bei Ihren Kameraden in Stalingrad zu bleiben, und als Offizier haben Sie sowieso die Pflicht, bis zur berühmten letzten Patrone auszuhalten.«
    »Herr Stabsarzt –«, schrie Oberst von der Haagen. »Herr Stabsarzt, ich –«
    »Ich habe wie Sie einmal den Walther Flex gelesen!« brüllte Dr. Portner zurück. »Sie erinnern sich, Herr Oberst, der Dichter, der in Ihrer Gedankenwelt als Heros dasteht und dessen Aphorismen Sie mit geschwellter Brust in jedem Lehrgang der Kriegsschule hersagten wie das Vaterunser. Erinnern Sie sich an den berühmten Spruch, von dem Sie einmal sagten, daß er in das Herz eines jeden Soldaten geschrieben werden müsse: ›Offizier sein heißt seinen Leuten vorleben – das Vorsterben ist nur ein Teil davon.‹ Bitte, Herr Oberst … nun sterben Sie vor –«
    Er drehte sich um und verließ den Keller. Von der Haagen wollte Dr. Portner nachlaufen, er war bereit, zu betteln, zu flehen, auf die Knie zu gehen – Knösel stellte sich ihm in den Weg.
    »Gehen Sie weg, Sie Ratte!« schrie der Oberst. »Ich stelle Sie vor ein Kriegsgericht –«
    »Wenn ick hier den Finger krumm mache, macht et bum! Dann jiebt et keen großes Maul mehr. Und ob de Oberst bist oder Jeneral – wir liegen alle in der Scheiße und stinken alle gleich … Vastanden?«
    Oberst von der Haagen sah sich verzweifelt nach einem Ausweg um. Es gab keinen, außer über Knösel hinweg. Da ließ er sich zurück auf seinen Strohsack fallen, neben den ›Held der Nation‹, Oberst Sabotkin.
    Sabotkin drehte sich auf die andere Seite, als von der Haagen neben ihm saß. Er wandte ihm den Rücken zu. Deutlicher war es ihm nicht möglich, seine Verachtung auszudrücken.
    Drei Stunden später kamen wirklich fünf Lkw bis auf 100 Meter an das Kino heran. Ein junger Fähnrich meldete sich bei Dr. Portner als Leiter des Einsatzes.
    »Wir müssen die Verwundeten leider hintragen«, sagte er. »Weiter können wir nicht nach vorn …«
    Beim Morgengrauen war es endlich soweit. Die Verwundeten lagen in zwei Wagen neben- und übereinander … in den anderen drei Wagen hockten die Gehfähigen oder standen wie gestapelte Rundhölzer. Oberst von der Haagen hatte noch einmal versucht, mitzukommen. Es war ein letzter, verzweifelter Versuch. Er überrannte Knösel, beide Fäuste nach vorn gestoßen wie ein Rammbock … zwei Sanitäter an der Treppe fingen ihn auf. Es war ein unwürdiges, miserables Schauspiel, als sie den weißhaarigen Oberst zurückschleiften in den Keller und an die Wand warfen. Dort begann er zu toben, bekam einen Schreikrampf und gebärdete sich wie ein Irrer. Dr. Sukow mußte ihn mit dem ›Auge Stalins‹ betäuben.
    In den Lkw hatte es sich mittlerweile herumgesprochen, warum man sie aus dem Lazarettkeller herausgeholt hatte. Pfarrer Webern war es, der ihnen die Wahrheit sagte. Er sprach über die fünf Wagen den Segen.
    Die Stimmung wurde vorzüglich. In die Heimat, hieß es. Wir werden in die Heimat geflogen. Wir dürfen weiterleben. Wir kommen aus der Hölle zurück. Was machte es da aus, daß man vor Hunger zitterte? Was kümmerte einen noch das tödliche Feuerwerk, das vom ›Tennisschläger‹ herüberhallte? Wen interessierte es noch, daß im Norden der Stadt der Kessel aufgerissen wurde und sich das XI. Korps unter General Strecker ins Traktorenwerk zurückzog, wo

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