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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kapitulationsgenehmigung. Paulus!«
    Die Antwort auf diesen Aufschrei von noch 150.000 Lebenden lautete:
    Führerhauptquartier quittiert Funkspruch 24. Januar 1943 um 11.16 Uhr. Funkspruch des Führers:
    »Verbiete Kapitulation! Die Armee hält ihre Position bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone und leistet durch ihr heldenhaftes Aushalten einen unvergeßlichen Beitrag zum Aufbau der Abwehrfront und der Rettung des Abendlandes.«
    Die Helden, die Unvergessenen, die Retter des Abendlandes lagen zu dieser Stunde im massierten Feuer aller sowjetischen Geschütze und Stalinorgeln, Panzer und Minenwerfer. Sie waren verhungert, sie waren apathisch, sie starben nicht mehr, sie verreckten einfach.
    Von alledem wußte das deutsche Volk nichts. Es glaubte wie eh und je dem Wehrmachtsbericht, der jeden Tag herauskam. An diesem Tag lautete er:
    »… Bei Stalingrad hat sich die Lage durch den weiteren Einbruch starker feindlicher Massen von Westen her verschärft. Trotzdem halten die Verteidiger immer noch ungebrochen als leuchtendes Beispiel besten deutschen Soldatentums den immer mehr verengten Ring um die Stadt. Sie fesseln durch ihren heldenhaften Einsatz starke feindliche Kräfte und unterbinden nun schon seit Monaten den feindlichen Nachschub an einem seiner wichtigsten Punkte …«
    Der Totengesang hatte begonnen.
    Dr. Portner mußte zusammen mit Dr. Sukow alle Kraft aufbieten, Dr. Körner davon abzuhalten, den Wehrmachtsempfänger mit beiden Fäusten zu zertrümmern. Bei den Worten »… ungebrochen als leuchtendes Beispiel besten deutschen Soldatentums …« hatte er zum erstenmal die Nerven verloren. Aus dem ruhigen, immer etwas melancholischen Jungen war ein Rasender geworden.
    »Lassen Sie mich los!« brüllte er und schlug um sich. »Ich kann das nicht mehr hören! Ich kann nicht mehr! Warum hauen Sie denen nicht in die Schnauze? Warum tun Sie nichts?! Warum tun wir alle nichts?! Warum sind wir wie Opferlämmer?!«
    Dann brach er zusammen. Dr. Sukow hatte zum letzten Mittel gegriffen. Mit seinem umwickelten Hammer, mit dem ›Auge Stalins‹, schlug er Dr. Körner auf den Kopf. Dann trugen sie ihn auf seinen Strohsack, deckten ihn zu und sahen sich an. Dr. Portner nickte langsam.
    »Es ist nicht unser Krieg –«, sagte er leise. »Genauso, wie es nicht Ihr Krieg ist. Ich habe einmal ein Buch von Ihrem Dichter Gogol ›Die toten Seelen‹ gelesen … hier haben Sie eine Armee von toten Seelen.«
    Andreij Wassilijewitsch Sukow, der Majorarzt der Roten Armee, legte dem deutschen Stabsarzt beide Hände auf die Schulter. Wie Freunde standen sie sich gegenüber, beide zerlumpt, beide hungernd, beide müde bis zum Umfallen, beide Opfer ihrer Zeit.
    »Ich habe Sie verachtet, Towaritsch«, sagte Sukow langsam. »Gestatten Sie mir, daß ich Sie jetzt bewundere …«
    »Hören Sie mir auf von Achtung des Heroischen!« rief Dr. Portner. »Das hier ist ein Verbrechen!«
    »Ich weiß.« Dr. Sukow nickte. »Aber Sie können aufrecht sterben …«
    »Mir wäre es lieber, aufrecht weiterzuleben.«
    Dr. Sukow ließ die Hände an den Körper zurückfallen. Es war eine Geste der völligen Hilflosigkeit.
    »Dazu leben wir in einer falschen Generation, Towaritsch …«, sagte er leise.
    In der Nacht verstärkte sich das Feuer der sowjetischen geballten Artillerie. Der Himmel war ein einziges Fauchen, die Erde ein aufbrechendes Flammenmeer. Das nie eroberte Bollwerk der Roten Armee mitten in der Stadt, der berühmte ›Tennisschläger‹, wurde zu einer erbarmungslosen Faust in den Magen des schrumpfenden Riesen 6. Armee. Panzer und Stalinorgeln hämmerten pausenlos auf das von der 305. Infanterie-Division besetzte Metallurgische Werk und auf die berüchtigte Höhe 102, in der sich 60 deutsche Batterien eingegraben hatten, der letzte schlagkräftige Pfeiler der Stalingrad-Front. Acht Stunden lang donnerten Tausende von Granaten, Minen und Raketengeschossen auf diese Höhe 102, pflügten sie um, zerfetzten die deutschen Geschütze, gruben sie unter, vergaßen keinen Zentimeter Boden und verwandelten jedes Fleckchen Erde in einen Mondkrater.
    Und doch lebten in dieser tausendfachen Hölle noch die Menschen. Sie krochen herum, warfen die Erde von sich wie Maulwürfe, wanden sich durch die Trichter wie Riesenwürmer und sprengten die letzten Geschütze, die noch brauchbar waren. Dann zogen auch sie in die Stadt, eine Handvoll Männer, die sich wie im Paradies vorkamen, als sie sich in einen Keller werfen konnten, auch wenn schon

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