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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ruhe!«
    »Ja.«
    »Ich … ich danke Ihnen …«
    Dr. Sukow drückte das Kinn an die Brust. »Warum? Wofür? Es werden auch viele verwundete sowjetische Genossen in den Keller kommen … für sie hat Genossin Pannarewskaja die Medikamente geholt.«
    »Natürlich.« Dr. Portner schwieg. Er wußte, daß es eine Lüge war, ein Selbstbetrug, der Sukows sowjetisch-ideologisches Gewissen beruhigen sollte.
    Zuerst wurde Emil Rottmann behandelt … er kam in den Nutzen der ersten Anästhesie nach vier Wochen, er bekam einen Wundpuderverband, nachdem Dr. Sukow ihm die Kugel aus dem Rückenmuskel herausgeschnitten hatte. Er lag da wie ein 1.-Klasse-Patient, mit einer sauberen Kompresse, mit weißen Mullbinden, schmerzlos, ohne Gefahr, in ein paar Tagen sich im Wundbrand wälzen und tierisch brüllen zu müssen.
    Voll Erstaunen erkannte die Pannarewskaja den Mladschij-Sergeanten Kaljonin in der deutschen Uniform.
    »Bitte, bitte schweigen Sie, Genossin Kapitän«, bettelte Iwan Iwanowitsch. »Der Krieg ist ja bald zu Ende. Ich weiß, es ist nicht ehrenvoll, was ich tue … aber es kam einfach über mich, und als ich anfing, darüber nachzudenken, war es schon zu spät.« Er schwindelte ein wenig, der gute Kaljonin, er gab sich als Opfer einer plötzlichen Idee, eines Affektes der Liebe und Sehnsucht. Daß er tagelang durch die Trümmer Stalingrads geirrt war und nach Vera gesucht hatte, verschwieg er.
    »Und man hat dich noch nicht entdeckt?«
    »Nein.« Kaljonin grinste verlegen. »Man hält mich hier für einen Oberschlesier.«
    »Dann sitz nicht hier herum, sondern hilf!« Die Pannarewskaja winkte zu Vera, die auf ihrem Strohlager hockte. »Und du auch! Bring den Verwundeten Wasser …«
    »Den Deutschen?«
    »Sind es keine Menschen, he?«
    »Doch Genossin, aber Stalin sagte …«
    »Wo ist Stalin? Liegt er hier mit im Keller?!« Die Pannarewskaja war wütend. Kaljonin verdrückte sich, er kannte etwas davon, wenn Olga den Kopf in den Nacken warf. »Haben sie dich nicht verbunden, he? Haben sie dir kein Lager gegeben, die Deutschen? Lebst du denn nicht?!«
    Mit gesenktem Kopf schlich auch Vera Kaljonina hinaus. Wenig später kniete sie neben den zerfetzten Leibern und legte feuchte Tücher auf die heißen, fiebernden Stirnen, benetzte die aufgesprungenen Lippen mit in Schneewasser getauchten Fingern oder hielt den Kopf eines Sterbenden, der mit großen Augen aus der Welt ging, nicht begreifend, daß eine Frau ihn umfangen hielt.
    Oberst von der Haagen ergab sich seinem Schicksal. Nach den Tobsuchtsausbrüchen wurde er ganz still, saß an der feuchten, zitternden Kellerwand und starrte in das winzige, flackernde Hindenburglicht. Er aß seine Wassersuppe und einen angeschimmelten Zwieback. Ein paarmal sprach ihn Dr. Portner an … es war, als spräche er zu einer Wachspuppe. Von der Haagen rührte sich nicht, sah an Dr. Portner vorbei, mit ausdruckslosen, trüben Augen. Nach der Auseinandersetzung im OP-Keller hatte es in ihm einen Riß gegeben. Er war, als erkenne er einen ganz neuen Menschen, als er in sich schaute, und dieser Mensch sagte: Stalingrad ist auch deine Schuld! Erkenne es endlich … Das war so ungeheuerlich, daß von der Haagen wie gelähmt war. Er sprach nicht mehr, er rührte sich nicht mehr … nur zur Verrichtung seiner Notdurft stieg er die Kellertreppe hinauf. Schritt um Schritt, wie eine in Gang gesetzte Maschine, kehrte zurück, hockte sich an die Wand und schwieg weiter in selbstverzehrender Dumpfheit.
    An diesem Nachmittag wurden über den Trümmern der Stadt Stalingrad zwei Tonnen Verpflegung und Munition abgeworfen. Der Notflugplatz Stalingradski war schon am 23. Januar aufgegeben worden … nun kreisten einsame Flugzeuge über der Stadt und warfen dort ihre Nachschubbomben ab, wo man winkte oder anhand der letzten Lagemeldung noch deutsche Bunker vermutet wurden.
    Knösels Markierungstuch war wieder ein Magnet. Zweimal landeten deutsche Nachschubbomben auf dem Fabrikhof … einmal waren es Schinken in Büchsen und Hartbrot in Cellophanbeuteln … die andere Bombe enthielt Schweinskopfsülze, Erbsen und Bohnen, Kekse und gepreßten Tee.
    Das große Verteilen begann. Knösel zählte ab … pro Mann zehn Erbsen, neun weiße Bohnen, drei Kekse, eine Scheibe Brot (und dieses nur für die Verwundeten, bei denen Hoffnung auf Rettung bestand), ein winziges Würfelchen Sülze, ein Hauch von gekochtem Schinken … und doch war es wie ein Feiertag, als aus jedem Keller drei Essenholer an Knösel vorbeizogen

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