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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Funkgerät, die letzte Verbindung mit anderen Divisionen und dem Armee-Befehlsstand, war durch den Ausfall der Batterien unbrauchbar geworden. Man wußte nicht, wie es im Südkessel stand, was der Nordkessel machte … man sah nur die hohen Qualmwände in den Fabrikvierteln ›Rote Barrikade‹ und ›Dsershinski‹ und ahnte, was sich dort abspielte. General Gebhardt versammelte in dieser Nacht seine letzten Offiziere um sich.
    »Meine Herren«, sagte er mit merkwürdig spröder Stimme, »ich weiß nicht, ob ich dazu berechtigt bin, aber die Lage, in der wir uns befinden, zwingt mich zu logischen Folgerungen.«
    Das klang wie eine Selbstzüchtigung. Die Offiziere, die General Gebhardt im Halbkreis umstanden, sahen ihren Kommandeur aus eingesunkenen Augen an.
    »Ich entbinde Sie hiermit von dem Eid, den Sie einmal für Führer und Volk geleistet haben. Ich gebe Ihnen völlige Handlungsfreiheit. Sie stehen nicht mehr unter meinem Befehl. Sie können durchbrechen. Sie können sich in russische Gefangenschaft begeben. Sie können sich erschießen. Es wird Ihnen überlassen. Man hat uns verraten, das wissen wir jetzt. Nun sollte sich jeder der Nächste sein. Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihre bis zur Hölle gehaltene Treue und Kameradschaft.« General Gebhardt legte die Hand an seine Mütze. »Gott mit Ihnen, meine Kameraden!«
    Die Offiziere grüßten zurück. Vor ihrem Keller ratterten die Ketten der sowjetischen Panzer. Ein paarmal krachte es. Das Wunder des Widerstandes erneuerte sich wieder … die Toten erhoben sich und schossen noch einmal, ehe sie vollends starben.
    »Und wohin gehen Herr General?« fragte ein Ia, ein Oberstleutnant.
    »Nach vorn, meine Herren.«
    »Wir bitten Herrn General, uns anschließen zu dürfen.«
    »Nein!« Gebhardt Gesicht war kantig, wie versteint. »Mein letzter Befehl – ihn behalte ich mir vor – lautet, daß jeder der Herren sich unabhängig von irgendwelchen Gefühlen zu dem Weg entschließt, den er vor sich selbst immer verantworten kann.«
    »Durchbruch!« rief ein junger Hauptmann.
    General Gebhardt nickte. »Wenn Sie es wagen wollen … es hält Sie niemand mehr. Am wenigsten ein Führerbefehl.«
    Der junge Hauptmann grüßte noch einmal und lief hinaus. Es schlossen sich ihm noch vier andere Offiziere an … zurück blieben der Ia und der Quartiermeister, ein Major. General Gebhardt sah sie fragend an.
    »Und Sie?«
    »Wir bleiben hier im Befehlsstand und warten, was kommt. Es bleibt uns als letzter Ausweg immer noch die Waffe.« Der Ia schluckte. Er dachte an seine Frau, an seine drei Kinder, an die alte, auf ihn wartende Mutter. Er war der einzige Sohn. »Wir bitten Herrn General, auch hier zu bleiben …«
    »Nein!« Gebhardt setzte seine Mütze ab und griff nach seinem weißgestrichenen Stahlhelm. Er stülpte ihn über die kurzgeschnittenen grauen Haare. Nur die roten Kragenspiegel mit dem goldenen Eichenlaub unterschieden ihn von seinen Landsern … sein Mantel war dreckig und zerrissen wie alle Mäntel, seine Hosen mit den roten Streifen waren längst zerfetzt, er hatte sie gegen einfache Hosen umgetauscht, Hosen eines Toten.
    »Wir bitten Herrn General noch einmal, ihn begleiten zu dürfen …«, stotterte der Quartiermeister.
    »Nein! Warum?«
    »Wir haben Angst um den Herrn General.«
    »Angst!« Gebhardt senkte den Kopf. »Angst hätten wir uns leisten können vor einigen Wochen. Wovor sollen wir jetzt noch Angst haben? Vor dem Sterben? Meine Herren … vor Erlösungen hat man keine Angst. Man geht ihnen entgegen.«
    Er drehte sich um und verließ mit weit ausgreifenden Schritten den Keller. Sie hallten noch in den anderen leeren Gewölben nach, bis sie sich verloren. Der Oberstleutnant und der Major setzten sich an den aus Brettern gezimmerten Tisch. Sie schraubten die Becher von ihren Feldflaschen und gossen sich aus einer Flasche ein, die der Ia aus einer Munitionskiste holte.
    Der letzte Cognac. Der letzte Schluck.
    »Leben Sie wohl, Herr Seiferth«, sagte der Oberstleutnant.
    »Auf Wiedersehen, Herr Dormagen.«
    Sie prosteten sich zu und tranken ihre Becher in einem Zug leer.
    Dann saßen sie wieder stumm am Tisch, fast bewegungslos, und warteten.
    Nach einer Stunde polterte es über die Treppe. Ein sowjetischer Leutnant betrat den letzten Kommandoraum der Division. Ihm folgten zwölf Rotarmisten mit Maschinenpistolen.
    Die beiden deutschen Offiziere erhoben sich von ihren Kisten und grüßten. Der junge Leutnant der Roten Armee grüßte verblüfft

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