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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und die Verpflegung in Empfang nahmen.
    »Verderbt euch nich de Wampe!« sagte Knösel, wenn er sich die Portionen quittieren ließ. »Zu üppiges Fressen bringt dumme Jedanken.«
    Die beiden Verpflegungsbomben reichten für eine Tagesration. Für einen Tag Gefühl, etwas im Magen zu haben, für einen Tag den Geschmack von Sülze und gekochtem Schinken. Man lutschte die Sülze auf und zerkaute die in Schneewasser weichgekochten Erbsen und Bohnen wie köstliche Marzipankugeln.
    Dann war der Vorrat ausgegeben, Knösel saß vor seinem leeren Verpflegungskeller und grübelte. Mitte Dezember, dachte er. Junge, Mitte Dezember hatte er doch ein Pferd geschlachtet! Eine Hüfte hatte er damals mitgenommen. Die anderen Teile hatte er vergraben, gewissermaßen in einen Eisschrank gelegt … ein Eisloch mit Steinen darüber. Irgendwo da draußen lagen noch über hundert Pfund bestes Gefrierfleisch!
    Knösel wurde von einer ungeheuren Lebendigkeit befallen. Er holte Kaljonin aus dem Keller und ging mit ihm nach oben ins Freie.
    »Paß mal uff«, sagte er und versuchte, sich zu erinnern, wo er seinen Eisschrank angelegt hatte. »Ich habe noch 'n Gaul in der Hinterhand. Vastehste?«
    »Njet!« sagte Kaljonin ratlos.
    »Ein Pferd! Panje-Konij …«
    »Ah!« Kaljonins Augen glänzten. »Wo?«
    »Wenn ick det noch wüßte.« Knösel sah in die unendlich scheinende Trümmerwüste. Im Norden und im Süden standen hohe Rauchwolken gegen den graublauen Himmel. Es war ein Wunder, daß es in dieser toten Stadt noch etwas gab, was brennen konnte. »Da war ein Turm in der Nähe …«
    »Turm?«
    »An einem Haus. Ein viereckiger Turm. Auf dem stand was drauf … aber ick kann ja keen Russisch lesen …«
    »Turm mit flachem Dach?«
    »'n Dach war nicht mehr da!«
    »Ich glaube, ich weiß …« Kaljonin wiegte den Kopf hin und her. »Wird schon von Roter Armee erobert sein.«
    »Det wäre Mist, Iwan.«
    »Gähen wir sähen –«
    Nach einer halben Stunde Kriecherei erreichten sie die Stelle, die Kaljonin meinte. Ein Turm war nicht mehr zu sehen … die Gebirge der Steine und Betonreste glichen sich wie nebeneinandergestellte Massenartikel. Knösel setzte sich in ein Granatloch und sah sich um.
    »Hier?«
    »Ja.«
    »Warte mal.« Er kratzte sich den Kopf und schob die Unterlippe vor. »Wo war der Turm?«
    »Dort wo du hinsiehst.«
    »Dann müßte det Loch dort sein.« Knösel zeigte auf einen Ruinenberg. Er war einmal ein Wohnblock gewesen mit verschiedenen Höfen. Die Höfe konnte man noch erkennen, die Häuser nicht mehr. »Natürlich, det is et!« Knösel wurde unruhig. »Da … im dem Viereck … da war'n schöner flacher Trichter. Da ha' ick det Pferd reinjelegt und mit Steinen zujedeckt.« Er schob den Helm wieder nach vorn in die Stirn und rieb die Hände aneinander. »Los, Iwan … wenn wir det finden, reicht's bis zum Jüngsten Jericht …«
    Kaljonin hielt Knösel fest, als dieser aus dem Trichter klettern wollte.
    »Nix, nix …«, sagte er hastig. »Dort Rote Armee …«
    »Wo?«
    »Gegenüber in Haus.«
    »Seh ick nich …«
    »Ich aber! Ich gehen allein.«
    »Iwan, bei dir piept's!«
    »Wo ist Loch mit Konij?«
    »Da, im ersten Hof. An der Mauer … vielleicht fünf Meter nach innen.« Knösel hielt nun Kaljonin fest, als dieser den Trichter verlassen wollte. »Junge, mach keenen fiesen Ärjer … die knallen dich sonst ab …«
    »Njet, ich doch Genosse!«
    »Aba in deutscher Uniform, du Scheich!«
    Kaljonin ließ sich zurückfallen. Der Schreck stand ihm im Gesicht. Die deutsche Uniform, er hatte sie ganz vergessen. Es würde nichts helfen, zu rufen und zu winken. »Nicht schießen, Briederchen. Ich bin Iwan Iwanowitsch Kaljonin von der 2. Gardedivision.« Sie würden ihn gar nicht hören … sie würden nur seine Uniform sehen und schießen, bevor er rufen konnte.
    »Is det 'ne Scheiße!« brüllte Knösel. »Eenen janzen Zentner Fleisch! Auge in Auge … und du kommst nich ran!«
    »Warten.« Kaljonin lächelte seinen Freund an. »In einer Stunde wir habenn Fleisch.«
    »Und wie?«
    »Mit richtige Uniform.«
    »Dann knallen dich unsere ab, Iwan!«
    »Man muß immer rechnen mit Risiko …«
    »Ick weeß nich. Ick hab'n komisches Jefühl im Magen«, sagte Knösel. »Vagessen wir det Fleisch. Komm, Iwan …«
    Sie krochen zurück zum Kino und schwiegen über ihre Pläne. In der Nacht waren sie wieder draußen, in einem Trichter zog sich Iwan Iwanowitsch um und kroch weiter in den Häuserblock hinein. Knösel wartete hinter einer

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