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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zurück.
    »Dawai!« sagte er dann und zeigte mit dem Daumen zum Ausgang. Mit gesenkten Köpfen gingen die deutschen Offiziere durch das Spalier der Rotarmisten ins Freie. Für sie war die Hölle zu Ende.
    General Gebhardt rannte unterdessen durch die Nacht zum Abschnitt ›Tennisschläger‹. Wo er auftauchte, verbreitete er sprachloses Erstaunen. Ein paarmal wollte man ihn festhalten … da wurde er wieder General und fauchte die Offiziere an, die ihn beschworen, in den Bunkern zu bleiben. So fragte er sich durch bis zum Feldlazarett III, zu den Kellern unter dem Kino.
    Dr. Körner war der erste, der den General sah. Er kniete auf der Treppe und verband einen Kopfschuß. Die Keller waren überfüllt, die neue Welle der Verwundeten, die aus den Trümmern herangespült wurde, mußte auf der Treppe oder rund um das Kino in den Trichtern versorgt werden. Bald waren es 5.000, die herumlagen, ein Berg von zerrissenem Fleisch, aus dem es stöhnte wie aus einem ruhenden Vulkan.
    »Herr … Herr General …«, stotterte Dr. Körner und wollte Haltung annehmen. Gebhardt winkte ab.
    »Lassen Sie den Quatsch, Doktor! Lebt Ihr Chef noch?«
    »Jawohl, Herr General.«
    »Was soll diese merkwürdige rote Fahne mit dem grünen Kreuz auf der Kinoruine?«
    »Das ist eine sowjetische Lazarettfahne, Herr General.«
    »Aber –« General Gebhardt sah sich um. Die Treppe herauf kam Olga Pannarewskaja mit frischen, gewaschenen Verbänden und einer Tasche voll Morphiumampullen. »Was soll denn das? Eine Frau? Eine Russin? Sind Sie denn schon überrollt?!« General Gebhardt grüßte, als die Pannarewskaja vor ihm stand.
    Dr. Körner nannte ihren Namen. Gebhardt blickte hilflos im Kreis. Deutsche und sowjetische Verwundete lagen einträchtig in den Trümmern. Und auf der Ruine wehte die rote Fahne.
    »Was soll das alles?«
    Dr. Körner atmete tief auf. »Ich habe die Ehre, Herrn General meine Braut vorstellen zu können …«
    Die Pannarewskaja lächelte still. »Ja …«, bestätigte sie leise. »Ja, so ist es …«
    »Aber das ist doch Wahnsinn, Körner!« Gebhardt wandte sich an die Ärztin. »Er wird doch morgen oder übermorgen gefangengenommen! Und Sie wird man verurteilen zu Zwangsarbeit, weil Sie einen Deutschen lieben!«
    »Ich weiß, Genosse General.«
    »Und trotzdem?«
    »Trotzdem. Wir werden uns einmal wiedersehen …«
    »Gott erhalte Ihnen diesen Optimismus.«
    »Es ist Liebe, Genosse General …«
    Gebhardt hob hilflos die Schultern und stieg hinab in die Gewölbe. Als nächsten sah er Dr. Sukow … aber da wunderte er sich schon nicht mehr. Er hatte das Einmalige und doch so Selbstverständliche begriffen: Hier gab es keinen Krieg mehr. Hier war eine Insel der Schmerzen und des Sterbens … und Schmerzen und Sterben kennen keine Nationalitäten mehr, keine verschiedenen Uniformen, keine Ideologien … sie machen alle gleich … zu um Hilfe bettelnde Menschen.
    Dr. Portner ruhte sich auf seinem Strohsack aus, als General Gebhardt eintrat.
    »Bleiben Sie sitzen, Doktor –«, rief er, als der Stabsarzt aufspringen wollte. »Ich haue mich neben Sie. Was Sie da in Tor und Gold sehen, sind nur dumme Tapisserien – ich bin nur der Friedrich Gebhardt, sonst nichts. Ich bin der Letzte meiner Division …«
    »Herr General …« Portner schüttete aus einem summenden Blechkessel heißen Tee in den Deckel eines Kochgeschirrs. Gebhardt nahm ihn am Griff und schlürfte gierig den heißen Tee. Er trank in kleinen, schnellen Schlucken, die er durch das Anblasen des Tees unterbrach. Portner beobachtete ihn von der Seite. Ein schöner, schmaler Gelehrtenkopf, dem selbst die Bartstoppeln nichts von der inneren Würde nahmen.
    »Das tat gut«, sagte General Gebhardt und reichte den Kochgeschirrdeckel zurück. »Ich bin gekommen, um mich von Ihnen zu verabschieden, Doktor.«
    »Von mir?«
    »Ja. Ich habe Sie damals sehr schätzen gelernt, wissen Sie, bei diesem dummen Prozeß Körner. Sie haben damals mit einem Löwenmut das gesagt, was ich schon immer dachte. Das hat mir imponiert! Sie haben geredet, ich habe nur gedacht! Hätten mehr Leute geredet und nicht nur still gedacht, wäre vielleicht vieles anders geworden, und einige hunderttausend Männer lebten heute noch. Und deshalb mußte ich zu Ihnen kommen, ehe ich für mein Versagen die Konsequenzen ziehe.«
    Dr. Portner setzte den Kochgeschirrdeckel langsam auf die Erde. »Sie haben nicht versagt, Herr General.«
    »Doch! Portner, reden Sie mir keinen Unsinn ein! Von einer ganzen Division

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