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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unwillig den Kopf und ging dann langsam quer durch die Trümmer, trat ein paar Mauerreste um, räumte mit dem Rüssel Steine aus dem Weg und stampfte durch eine große Hausruine davon.
    Bewegungslos sah Knösel dem grauen Klotz nach. Ein paarmal schluckte er, dann wischte er sich über die Augen und griff wieder zu der Flasche, nahm einen tiefen Schluck und sagte: »Das glaubt mir keiner. Die halten mich alle für besoffen …«
    Genauso war es, als Knösel zurück zu dem Verbandskeller rannte. Dr. Portner sah ihn prüfend an, schnupperte vor seinem Gesicht und nickte.
    »Total blau. Und das auf MG-Wache. Knösel … Sie landen eines Tages doch noch vor einem Erschießungspeloton …«
    »Herr Stabsarzt … ich bin vollkommen nüchtern … Sehen Sie doch.« Knösel schloß die Augen, streckte die Arme aus und marschierte geradeaus … ohne Schwanken, ohne Schlangenlinie … wie auf einem gezogenen Strich. Dr. Körner nickte verblüfft.
    »Nüchtern.«
    »Aufs Saufen geeicht.« Dr. Portner riß Knösel an den Schultern herum. »Kerl, Sie wollen uns doch nicht einreden, daß ein Elefant durch Stalingrad marschiert.«
    »Ich habe ihn gesehen, Herr Stabsarzt.«
    »Im Delirium.«
    »Und gehört.«
    »Pfötchen gegeben hat er nicht, wie? Und was hat er gesagt? ›Guten Tag, mein lieber Knösel, schmeckt das Schnäpschen?‹« Dr. Portner schlug gegen die Kellerwand. »Man soll es nicht für möglich halten, welche Blüten ein Grabenkoller treiben kann …«
    Dabei blieb es. Knösel erntete mit seiner Elefantengeschichte nicht nur Unglauben, sondern die Bemerkung: »Noch so 'nen Blödsinn, und wir ziehen dir das Fell ab, du Spinner.« Beleidigt schwieg er. Erst die küssenden Russen, dann ein Elefant … er sah ein, daß dies ein bißchen viel war, auch wenn er es wirklich erlebt hatte.
    In der Nacht kamen sie in Gumrak an. Sie wurden eingegliedert in das Feldlazarett der 6. Armee, dem großen Sammelplatz von 22 Divisionen, dem Ort, der aus einem Wasserturm, einem Stationsgebäude, einigen lehmbeworfenen Bauernhütten, einem Flugfeld und Tausenden von Verwundeten bestand. Sie lagen in Zelten, Erdhöhlen, notdürftig zusammengehämmerten Baracken oder in russischen Güterwagen, die halb ausgebrannt und zurechtgeflickt waren … ein Gewirr von Holz und Eisen auf den Abstellgleisen des Bahnhofes.
    Es war eine eisige Kälte, als sie ankamen. Über die Steppe jagte ein Eiswind und trieb den Schnee vor sich her. Räumkommandos kämpften dagegen an … sie fegten die Rollfelder sauber, damit die Transportmaschinen landen konnten … die wackeren Ju 52, die schnellen He 111 und die neuen Ju 86. Wie in Pitomnik waren es über hundert Mann, die die Maschinen entluden und dafür sorgten, daß keine Eisbuckel auf der Rollbahn entstanden, über die die startenden Maschinen stolpern konnten. Am Rande des Flugplatzes standen die Zelte der Verwundeten, die ein Billet um den Hals hängen hatten, auf ihren Ausflug aus dem Kessel warteten und davon träumten, morgen oder übermorgen gerettet zu sein, dem Leben wiedergegeben, dem Leben, das keine 60 Flugminuten weit entfernt war. 60 Flugminuten … aber für 300.000 eingeschlossene Männer so weit wie ein Platz auf dem Mond.
    Dr. Portner meldete seinen Haufen bei der Kommandantur des Feldlazaretts der 6. Armee. Als er die Bauernkate betrat, sah er Generalarzt Professor Dr. Abendroth hinter einem Tisch sitzen und Funksprüche studieren. Ein Oberstarzt steckte auf einer an der Wand hängenden Gebietskarte von Stalingrad den Frontverlauf ab, nicht wie ihn der Wehrmachtsbericht meldete, sondern wie ihn die aufgefangenen Funksprüche der einzelnen Truppenteile deutlich darstellten.
    Dr. Portner legte die Hand an die vereiste Mütze, aber Professor Abendroth winkte ab. »Ich kenne Sie, Portner … brauchen sich nicht vorzustellen. Hatten Sie einen guten Rückweg?«
    »Nicht wie auf dem Ku'damm, Herr Generalarzt. Fünf Tote. Irgendein Rindvieh von der Artillerie beschoß uns, obwohl wir die Rote-Kreuz-Flagge an den Wagen hatten. Allerdings waren es russische Beutefahrzeuge …«
    Professor Abendroth nickte. »Heute schießt man einfach auf alles, was russisch aussieht. Östlich von Kalatsch gab es ein völliges Durcheinander. Da marschierte die Panzerschule Kalatsch mit sowjetischen Beutepanzern los und stak plötzlich mitten zwischen echten Sowjets. Und die Flakbatterien wußten überhaupt nicht mehr, auf wen sie schießen sollten, denn sie waren informiert, daß die deutsche Panzerschule mit

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