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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über die schon der Schleier der Unendlichkeit zog. Auf dem nackten Kellerboden lagen sie nebeneinander, eingewickelt in vereiste Mäntel, die in der Wärme zu tauen begannen. Wasserlachen bildeten sich unter den Körpern.
    Knösel kam in den Operationsraum. Er hatte eine Schramme an der Stirn, unter den Armen trug er zwei Bündel verkohlte Dachlatten. »Wo soll der Baum stehen, Herr Stabsarzt?« fragte er an der Tür. Portner fuhr wie gestochen herum.
    »Welcher Baum?«
    »Der Weihnachtsbaum.«
    »Im großen Keller, mein Sohn«, antwortete Webern statt Dr. Portner. Knösel starrte den unbekannten schmutzigen Landser an. Er wollte etwas sagen, doch als er das Kreuz vor der Brust sah, verschluckte er die Worte und nickte stumm.
    »Den haben Sie auch schon angelernt, Pfarrer?« fragte Portner ironisch.
    »Ich sehe ihn zum erstenmal.«
    »Halt, Knösel!« Portner winkte. Knösel kam zurück in den OP-Raum. »Wer hat Ihnen gesagt, daß Sie einen Weihnachtsbaum zimmern sollen?«
    »Aber … das ist doch selbstverständlich, Herr Stabsarzt. Weihnachten ohne Baum, und wenn's nur Latten sind … das geht doch nicht.«
    »Und ›Stille Nacht, heilige Nacht‹ wollen Sie auch singen?«
    »Jawohl.«
    »Mann! Sie sind bereits tot! Begreifen Sie das nicht? Wir alle sind abgeschrieben! Die ganze 6. Armee! Dreihunderttausend Mann in einem Massengrab, das Stalingrad heißt! Und Sie wollen sich hinsetzen und eine gemütliche deutsche Weihnacht feiern …«
    Knösel nickte. Er schluckte mehrmals, bis er antwortete.
    »Sie … Sie operieren ja auch noch, Herr Stabsarzt«, sagte er heiser. »Wenn wir sowieso drauf gehen …«
    »Raus!« Portner stützte sich auf den Küchentisch, auf dem der Mann mit dem halben Kopf pfeifend aus der Mundhöhle röchelte. Pfarrer Webern umkrallte wieder das Kreuz vor der Brust. Dr. Portner nickte. »Sie haben recht, Pfarrer«, sagte er leise. »Je tiefer der Dreck, um so größer der Glaube. Aber verzeihen Sie mir, wenn ich persönlich da nicht mehr mitkomme.« Er beugte sich über den halbierten Kopf und holte weiter Knochensplitter aus der Wunde. »Kümmern Sie sich um die Neueingänge, Körner«, rief er rauh. »Und was nicht mehr reparabel ist, raus aus dem Keller! Ich brauche Platz!«
    »Kommen Sie, Doktor.« Pfarrer Webern legte die Hand auf Körners Schulter. »Ich gehe mit Ihnen. Wenn ich neben ihnen knie, merken sie nicht, daß man sie weggeworfen hat.«
    Die Rückkehr Iwan Iwanowitsch Kaljonins zu seiner Truppe im ›Tennisschläger‹ war eine helle Freude. Man benachrichtigte sogleich Major Kubowski, der in jeder freien Minute im Lazarett saß, den Ablauf durch seine Person störte und Olga Pannarewskaja verliebt anstarrte. Seit er sie damals geküßt hatte und dabei von einem deutschen Stoßtrupp beschossen wurde, war es zwischen ihnen nicht mehr zu Zärtlichkeiten gekommen. Es gab auch keine Gelegenheit mehr. Die Offensive der sowjetischen Armeen an Don, Tschir und an der Südfront, der Aufmarsch frischer Divisionen rund um den Kessel über das Eis der Wolga nach Stalingrad hinein und vor allem der wachsende Druck der Deutschen, die darauf drängten, die sowjetischen Widerstandsinseln in der Stadt zu überrennen und das Herz Stalingrad, das Wolgasteilufer, zu erobern, beschäftigten auch Major Kubowski so stark, daß er nur wenige Augenblicke im Lazarett sitzen konnte.
    Außerdem war Andreij Wassilijewitsch Sukow, der Chefchirurg, ein unhöflicher Mensch. Immer, wenn Kubowski erschien, sagte er gehässig: »Sieh, sieh, da kommt er wieder wie ein wilder Rammler!« Kubowski fand diesen Vergleich aus dem Tierreich unpassend, schwieg aber um des lieben Friedens willen. Man kannte diesen Sukow ja … ein blendender Arzt, ein technisch artistischer Chirurg, aber ein grober Klotz, der es liebte, abends nach einer Schallplatte den Tod des Zaren Boris Godunow von Mussorgskij zu grölen. So ein Mensch war dieser Sukow! Es war wirklich besser, ihm möglichst aus dem Wege zu gehen …
    Auch heute wurde Jewgenij Alexandrowitsch Kubowski in seiner verliebten Betrachtung der Pannarewskaja gestört. Ein Melder erschien, schrie nach dem Major und berichtete, Kaljonin, der Tote, sei wieder da. Das hörte auch Vera Kaljonina, ließ eine Spritze fallen, stieß einen Jubelruf aus und stürzte auf den Rotarmisten zu.
    »Wo ist er, Genosse, wo? Sag es doch! Brüderchen, wo ist er? Ist er gesund? Hat er etwas abbekommen …?«
    »Ein bißchen blaß ist er, Genossin. Aber sonst ist er ganz da …« Der Soldat

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