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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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für eine ganz kurze Zeit die Weltgeschichte den Atem an, für ein Zwinkern nur, ein erstauntes Besinnen und Begreifen, daß es so etwas noch gab, daß Menschen, die verfaulten und verhungerten, sich um das flackernde Licht einer Kerze sammelten, die Hände falteten und leise das Vaterunser beteten, mit einer Innigkeit, die sonst nie in ihnen gewohnt hatte.
    In den Kellergewölben unter dem Kino stand Pfarrer Webern vor einem kleinen Altar aus Kisten und Brettern und betete vor einem Kreuz, das Knösel aus zwei Stuhlbeinen gezimmert hatte. Um ihn herum lagen die Todgeweihten, dahinter knieten die Hoffnungslosen, an den Wänden, auf den Kinoklappstühlen, hockten die anderen Verwundeten, fiebernd, mit klappernden Zähnen, mit schmerzweiten Augen und zuckenden Gliedmaßen.
    »… denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr«, sagte Pfarrer Webern. Seine Stimme schwebte über den vergehenden Gesichtern der Sterbenden und deckte das Stöhnen und Röcheln zu, das sich um seinen Altar versammelte.
    Dann sprach er von der Liebe, von der Erlösung, von der Gnade Gottes, von der offenen Tür des Himmels, an der niemand abgewiesen werde, der rufen würde: Ich will zu DIR, Herr, denn ich bin ein armer, sündiger Mensch.
    Als er betete, senkte selbst Dr. Portner den Kopf. Vor ihm lagen drei Schwerverwundete, die den Morgen nicht mehr erleben würden. Aber ihre Augen waren weit offen, ihr Blick starrte selig in die Kerzen am Altar und auf den Weihnachtsbaum aus verkohlten Dachlatten und Steppengras. Und sie falteten die Hände über ihren zerfetzten Körpern, und ihre Lippen bewegten sich lautlos, als sie alle im dumpfen Chor beteten.
    Vater unser, der Du bist im Himmel … und vergib uns unsere Schuld … denn Dein ist das Reich …
    Dann sangen sie, mit gefalteten Händen, die Augen auf den brennenden Baum gerichtet, ein Geisterchor fast, Stimmen aus durchgebluteten Verbänden in der Begleitung von Röcheln und wimmerndem Weinen, fiebrigen Schreien und bettelndem Stammeln.
    Stille Nacht, heilige Nacht …
    Vor dem Altar Paul Weberns starben bei diesem Lied sieben Soldaten. Sie streckten sich, und ihre gläsernen Augen starrten noch immer in die Kerzen, lebendige Punkte in einem ausgedörrten Leib.
    Über ihnen schwieg der Krieg nicht. Die Artillerie donnerte, sowjetische Kommandotrupps durchkämmten die Trümmer in der Hoffnung, daß Weihnachten die Aufmerksamkeit der Deutschen behindere. Aber die Gräben und MG-Nester, die Bunker und Panzerstellungen, die Pak-Geschütze und Granatwerfer waren besetzt. Wenn auch zwischen den Trümmern einsame Kerzen flackerten, Irrlichter sich erinnernder und Abschied nehmender Herzen, wenn auch der Gesang aus den Bunkern und Erdhöhlen, den Kellern und Unterständen dumpf über die tote Stadt wehte, ein Feld singender Gräber, daß ein Schauer über die Rücken der Rotarmisten glitt … es wurde zurückgeschossen, es wurde sich weiter in den Schnee gekrallt und es wurde auch an diesem Tag gestorben, dreckig wie immer, verzweifelt und sinnlos. Aber die Nachwelt würde es Heldentod nennen, und die Jugend nach zwei Generationen würde davon lesen und es nicht verstehen und sich nicht vorstellen können, was es heißt: Krieg.
    Über die Kellertreppe des Kinos schleppten zwei Landser eine zusammengesunkene, blutende Gestalt. Feldwebel Wallritz, der mit zwei Sanitätern im Vorkeller war, um die frisch Verwundeten in Empfang zu nehmen, klappte einen der Kinostühle herunter und winkte den beiden Landsern zu.
    »Setzt ihn dorthin. Ich komme gleich …«
    Die beiden Soldaten blieben mit ihrer Last in der Mitte des Raumes stehen. Sie hörten aus dem Nebenkeller den dumpfen Gesang des Weihnachtsliedes; auch der Mann in ihrer Mitte richtete sich mit letzter Kraft auf und starrte aus blutverschmiertem Gesicht um sich.
    Wallritz machte ein paar Schritte auf ihn zu. Vor der Brust des Verwundeten pendelte wie bei Pfarrer Webern ein kleines Kreuz. Nur glänzte es nicht mehr … es war rot von Blut. Noch einmal sah der Mann sich um, dann sank er wieder zusammen, wurde besinnungslos und hing schlaff in den Armen der beiden Landser.
    »Mein Gott, wer ist denn das?« fragte Wallritz. Er packte mit zu, und gemeinsam trugen sie den Ohnmächtigen zu einer Stellage aus Kistenbrettern.
    »Unser Pastor«, sagte einer der Landser heiser. »Pastor Sanders … er machte bei uns die Weihnachtsfeier. Da kam der Iwan mit 'nem Stoßtrupp, wir raus in'n Graben, und plötzlich steht der Pastor auch im

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