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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dann denken wir: Unsere Frauen und Mütter, unsere Väter und Kinder … die stehen in der Heimat ihren Mann, sie wissen, daß wir siegen werden … also, Emil, ran an die Buletten und gib's dem Iwan in die Fresse …« Oberst von der Haagen sah sich provokatorisch um. Die Ärzte schwiegen weiter und rauchten stumm. Unter ihren Händen waren Tausende verblutet, sie kannten die Wahrheit.
    Oberst von der Haagen wandte sich schroff ab. Akademikersturheit, dachte er, um sich selbst aufzurichten. Da haben wir ihn wieder, diesen zersetzenden defätistischen Intellektualismus! Mit Akademikern kann man keine Kriege gewinnen, die denken zuviel!
    Unterdessen tauten Dr. Körner, Rottmann und Wallritz ihre drei Leichen auf. In einem überheizten Raum legten sie die Körper neben den Ofen und drehten sie mehrmals herum, damit sie auch überall das Eis und die Steifheit verloren. Nach kurzer Zeit lagen sie in Wasserlachen. Ein Stabsarzt, der hereinsah, um festzustellen, wie lange es noch dauerte, schüttelte den Kopf.
    »Langsamer auftauen, Herr Körner! Wir wollen doch keine Suppe von ihnen kochen …«
    »Sie liegen seit drei Tagen im Eis, Herr Stabsarzt.«
    »Vor allem müssen sie innen aufgetaut sein. Meinetwegen machen Sie so weiter …«
    Die deutsche Gründlichkeit hatte auch hier nicht versagt. Von den Schreibstuben, die nach wie vor Buch über alles führten, was in Kompanie, Bataillon oder Regiment geschah, war die Krankenrolle der drei Toten nach Gumrak geschickt worden. Der Pathologe aus Berlin studierte interessiert die Eintragungen und verglich sie miteinander.
    »Das ist hochinteressant, meine Herren«, sagte er und breitete die Krankenblätter auf dem Sektionstisch aus. »Alle Toten, die so merkwürdig ohne Anlaß umkippten, sind alte Soldaten der 6. Armee, die schon den Vormarsch mitgemacht haben. Seit September haben sie – wie ich aus der Verpflegungsliste sehe – pro Tag durchschnittlich achtzehnhundert Kalorien an Nahrung bekommen, jeder von ihnen hat im Herbst eine Gelbsucht oder eine Darminfektion überstanden, einige von ihnen hatten Malaria oder Typhus. Seit Ende November liegen sie in dieser baumlosen Steppe, verkriechen sich in Erdlöchern, leben in Schnee, Eis und dauernder Feuchtigkeit und ernähren sich von hundert Gramm Brot und Suppen aus Fleischstücken krepierter und verhungerter Pferde –«
    »Fünfzig Gramm Brot«, warf ein Stabsarzt ein. Oberst von der Haagen drückte das Kinn an den Uniformkragen.
    »Nun übertreiben Sie mal nicht, Herr Stabsarzt. Erst seit vorgestern sind es fünfzig Gramm!«
    »Wie dem auch sei … die Ernährung und die Unterbringung der Männer ist unzureichend …«
    »Hat man in Berlin auch schon gemerkt, daß Krieg ist?« fragte von der Haagen bissig. »Natürlich speist man im Kempinski besser als in einem Erdloch von Stalingrad.«
    Der Pathologe aus Berlin wölbte die Unterlippe vor. »Warten wir ab, meine Herren. Ich habe eine schreckliche Ahnung … schon vor den Obduktionen …«
    Die erste Leiche, die aufgetaut, schön weich und ein wenig glitschig auf den Tisch gehoben wurde, war ein Gefreiter. Er hatte pfeifend sein Einmannloch erweitert, hatte gegraben und die ausgeschachtete Erde säuberlich als Schußdeckung um das Loch verteilt. Plötzlich hatte er mit dem Pfeifen aufgehört, hatte dumm gegrinst, war umgefallen und war tot. Er hatte vier Kinder, stammte aus Essen an der Ruhr, war Grubenelektriker und immer gesund gewesen. Bis auf Typhus, den er im Oktober am Don bekommen hatte.
    Der Pathologe nickte Dr. Körner kurz zu und gab ihm die Hand. Dann verlor er keine Zeit mehr … mit einem langen Schnitt des Skalpells spaltete er den Leib vom Brustbein bis zum Schambein. Dann präparierte er sich durch die einzelnen Schichten in die Tiefe. Es war eine schnelle Arbeit … Fettgewebe war nicht mehr vorhanden, das Muskelfleisch wirkte ausgezehrt, der Körper war nur noch Haut und Knochen.
    Brust- und Bauchhöhle waren eröffnet, die Ärzte beugen sich neben dem Pathologen aus Berlin über den Körper. Oberst von der Haagen steckte sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an. Die aufgetauten Eingeweide begannen in der Hitze des Raumes zu riechen. Übelkeit überfiel ihn … er inhalierte den Zigarettenrauch und verließ dann schnell den Operationsbunker.
    Beim Hinausgehen hörte er noch, wie der Pathologe mit klarer Stimme sagte:
    »In wenigen Minuten werden wir wissen, woher der geheimnisvolle Tod in der 6. Armee kommt …«
    Fast zwanzig Minuten wurde stumm

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