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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach Gumrak, zu den Flugzeugen, die sie mitnehmen würden … Sie wußten nicht, daß in Eisenbahnwaggons und Zelten rund um dem Flugplatz Zehntausende lagen und täglich hundert steifgefrorene Leichen aus den Wagen und Zelten geworfen wurden, wie Holzbretter auf einen Haufen. Stapel der Namenlosen. Ein Hügelland aus grauen Leibern, dem der Schnee barmherzige Decken gab.
    Vor dem Lastwagen standen drei Landser mit angelegter Maschinenpistole. Als der kleine Trupp mit den drei Zeltplanen aus dem Schneesturm auftauchte, kam Bewegung in die Verwundeten.
    »Kumpels, es geht los!« schrie jemand.
    Aus dem Schnee reckten sich Arme und Hände. Auf dem Bauch krochen sie zu dem Wagen. Die Gehfähigen traten rücksichtslos auf die Rücken der Kriechenden und stampften sie in den Schnee. Eine Welle von Wahnsinn und nackter Lebensangst brandete auf die drei mit den Maschinenpistolen zu.
    »Stehenbleiben!« brüllte einer von ihnen, ein Feldwebel. »Jungs, ich lasse schießen! Der Wagen gehört dem Generalarzt.«
    »Scheiß was auf deinen General! Wir wollen mit!« schrie jemand.
    »Wir wollen hier nicht verrecken!«
    »Ich schieße!« brüllte der Feldwebel. »Zurück! Seid doch vernünftig … zurück …«
    »Rennt sie um!« Ein greller Schrei aus der Tiefe der heranwankenden Leiber. »Zerreißt sie, die Lumpen!«
    Der Feldwebel zögerte. Er starrte in hohle und aufgedunsene Gesichter, in irre Augen und aufgerissene Münder, in Totenschädel, in denen es lebende Augen gab, auf Skelette, die durch den Schnee hüpften.
    Da schoß er. Zuerst vor der heranschwankenden Mauer in den Schnee, dann auf die Beine der ersten. Sie brüllten auf, fielen in den Schnee, und die anderen trampelten über sie hinweg und stürmten weiter. Bis er die ersten erschoß … er mußte es tun, denn sie kamen auf ihn zu, zerbrochene Gewehre wie Keulen in den Fäusten schwingend. Als die ersten drei zusammensanken, blieb die Mauer stehen. Es war, als hätte allein der Klang der Schüsse ihren Widerstand zerschmettert.
    Dr. Körner und Wallritz gingen stumm zum Wagen, die Zeltplanen mit den drei Toten wurden aufgeladen, die Träger und Emil Rottmann folgten. Neben Körner und Wallritz standen die drei Fahrer schußbereit.
    »Wieviel können wir mitnehmen?« fragte Dr. Körner.
    »Keinen, Herr Assistenzarzt.« Der Feldwebel beugte sich zu ihm. »In Gumrak ist es ja noch schlimmer als hier. Und wenn wir einen mitnehmen, wollen sie alle mit. Sie sehen doch, daß sie halb wahnsinnig sind.«
    Aus der geballten Masse der Verwundeten trat ein Mann vor. Er hatte den Kopf verbunden, aber das Blut war durchgesickert und vereist. Er sah aus, als trage er eine rote Haube. Dr. Körner biß sich auf die Lippen. Viel zuwenig Binden, dachte er. Die Kälte frißt sich in die Kopfwunde. Daß er überhaupt stehen kann, denken kann, reden kann. »Hauptmann von Beukow«, sagte der Mann und verbeugte sich korrekt. »Sie leiten diesen Transport, Herr Assistenzarzt?«
    »Es ist kein Transport, Herr Hauptmann. Ein Sonderwagen des Herrn Generalarztes …« Dr. Körner schluckte krampfhaft. Für drei Tote schickt man einen Wagen, dachte er. Für drei Tote hat man Sprit von Gumrak nach Stalingrad und zurück. Und dort stehen dreihundert Verwundete, die man in der Steppe krepieren läßt, weil es kein Fahrzeug gibt, das sie abholt. Dreihundert Väter, Söhne, Männer, von denen zweihundert weiterleben könnten.
    Hauptmann von Beukow blickte auf die drei Zeltplanen im Hintergrund des Wagens. »Dann handelte es sich bei den drei Kameraden wohl um drei hochgestellte Herren?«
    »Nein. Um drei Tote.«
    »Um was, bitte?«
    »Um Tote, Herr Hauptmann. Wir haben einen Sonderwagen für Tote. Sie wundern sich?«
    »Nein, wie Sie sehen. Ich habe in Stalingrad das Wundem verlernt. Besteht die Möglichkeit, daß sich Ihrem Totentransport auch einige Lebende anschließen?«
    Dr. Körner wandte sich ab. Er wußte nicht, für wen er sich schämte, aber er schämte sich. Vielleicht schämte er sich, daß er noch lebte.
    Hauptmann von Beukow stellte sich an den Wagen. Er starrte auf die im Schnee Liegenden, die wimmernd und flehend die Hand hoben, die wieder gekrochen kamen, in letzter, aufbäumender Kraft, den Wagen, das Leben zu erreichen.
    »Die ersten zwanzig …«, sagte von Beukow. »Wer sich vordrängt, wird erschossen. Los … vortreten … die ersten zwanzig …«
    Als der Lastwagen anfuhr, war er überladen. Selbst auf den Trittbrettern und dem Kühler hockten die Verwundeten.
    Hauptmann

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