Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
reißen uns die Iwans den Hintern bis zum Kragenknopf auf. Weißt du übrigens, daß man einen Pferdehuf auskochen kann? Das gibt immer noch zwölf Fettaugen für 'ne Suppe …«
    Emil Rottmann hörte sich das alles aufmerksam an. Die Ausweglosigkeit der Einkesselung, die Erwartung, daß in aller Kürze der Russe von allen Seiten gegen die dünnen deutschen Linien anrennen würde, um den großen Kessel vollends einzudrücken oder aufzuspalten und dann auf alle Deutschen auf Hasenjagd zu gehen, erzeugte bei dem einen jene Form von Fatalismus, die alles ertragen läßt, bei dem anderen einen galligen Humor, der nichts war als ein Deckel auf der kochenden Angst. Verzweiflung sah Rottmann selten, nur bei den Verwundeten, die sich gegenseitig tottraten, um in einen Lkw zu kommen oder von einer Ju 52 mitgenommen zu werden. Diese Ergebenheit in ein Schicksal, dieses Wissen, geschlachtet zu werden und nichts dagegen tun zu können, als zu fluchen, war nicht die Art Rottmanns. Er wollte leben, er wollte zurück zu seinem Schrebergarten, zurück zu der efeuberankten Laube, in der er Lotte besessen hatte, und nachher Marion, Berta und Ilsemarie.
    Am Abend dieses Tages, als der große Vortrag über die Todesursache der Spontantoten der 6. Armee gehalten wurde und der Begriff vom ›Herz der 6. Armee‹ wie Blei in den Hirnen der Ärzte und Offiziere lag, saß Emil Rottmann in einem Zimmer der Sanitätsbaracke Wallritz gegenüber und rauchte hastig.
    »Du«, sagte er, »ich habe mir etwas überlegt. Wer weiß, wann ich wieder nach Gumrak komme, und ob überhaupt. Du mußt mir ein ›Lebensbillet‹ besorgen …«
    Sanitätsfeldwebel Wallritz sah kurz auf. Er schien gar nicht zu begreifen, was Rottmann gesagt hatte.
    »Was willst du?«
    »Hier raus, mein Junge. Und du allein kannst das.«
    »Idiot!«
    »Hör mal zu.« Rottmann beugte sich vor. Seine Schlangenaugen waren klein und gefährlich. »Wenn du den Helden spielen willst, ist das deine Sache. Von mir aus kannst du in einem Erdloch krepieren oder beim Iwan verhungern … ich jedenfalls will weiterleben. Das ganze Großdeutschland kann mich am Arsch lecken, und wenn du jetzt anfängst, von Kameradschaft zu quatschen … die Kameraden sind gefallen! Kapierst du, ich will ausgeflogen werden.«
    »Nein.«
    »Was nein?«
    »Ich kapiere das nicht.«
    Rottmann lächelte böse. »Stell dich nicht doof, mein Freund. Du sollst mich krank machen und mir einen Zettel um den Hals hängen.«
    »Hau ab, Spinner!« sagte Wallritz grob und drehte sich um. Rottmann faßte ihn an der Schulter und drehte ihn mit einem Ruck zu sich zurück. Sein Gesicht war jetzt rot und zuckte.
    »Wallritz …«, keuchte er. »Es ist eine Minute vor zwölf, kapierst du das nicht? Ich will abhauen! Ich will raus aus der Scheiße, mit dem gleichen Trick, durch den du deinen Bruder gerettet hast …«
    In Wallritz setzte der Herzschlag aus. Sigbart, dachte er. Ob er schon in Deutschland ist? Oder ob sie ihn erwischt haben? Verstecken wollte er sich, bis der Krieg zu Ende ist, sich verkriechen wie ein Hamster und dem Frieden entgegenschlafen. Wallritz wischte sich mit zitternden Händen über die Augen. Erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß er nie mehr an seinen Bruder gedacht hatte.
    »Na also«, sagte Rottmann gedehnt. »Jetzt fällt der Groschen. Ich garantiere dir, daß ich ebenfalls den Schwerverwundeten spielen kann.«
    »Du bist ja besoffen, Emil!« Wallritz' Herz schlug wieder normal. Er beobachtete Rottmann aus den Augenwinkeln. Woher weiß er etwas, dachte er. Niemand war dabei, nur Dr. Körner. Keiner kann es wissen. Aber woher weiß Rottmann, daß ich einen Bruder habe? Woher weiß er, daß wir uns getroffen haben? »Schlaf dich aus …«, sagte er lässig. Rottmann atmete schwer. Seine Fäuste lagen auf dem Tisch, dicke, derbe, brutale Fäuste.
    »Hör mal genau zu, Kleiner«, sagte er heiser vor Erregung. »Glaubst du, ich hätte wirklich meine Truppe verloren? Glaubst du, ich wäre bei euch geblieben, da vorne in der dicken Scheiße, nur weil mir euer Gesicht so gut gefällt oder weil ich eisenhaltige Luft gern inhaliere? Bist du so blöd, anzunehmen, ich spielte deinen Schatten, weil ich aus lauter Perversität deine Nähe brauchte?! Nee … du bist meine Lebensgarantie, Kleiner! Ich habe hinter dem Zelt gestanden und alles mitgekriegt, als du dein Brüderlein zum Krüppel machtest und ihm das Zettelchen um den Hals hängtest. Aha, habe ich da gedacht. So wird's gemacht! Und was die können, das

Weitere Kostenlose Bücher