Das Herz der Dunkelheit: Psychothriller (German Edition)
liebevollen Blick mit etwas wie einem Lächeln und nahm einen Schluck Mineralwasser.
Acht Tage, in denen sie, wie sie wusste, das meiste aus jeder Minute machen musste – genau wie sie es danach zwischen der Voranhörung und der Verhandlung selbst tun müssen würde. Und sie würde ihr Bestes geben, für Joshua und Cathy und Sam, während sie in Gedanken die Tage von einem entsetzlichen Meilenstein zum nächsten abhakte.
Mit nur einem letztendlichen Ort vor Augen, den sie sich vorstellen konnte.
Einer Zelle.
Sam durchschaute ihr Lächeln, sah den Schmerz dahinter.
Ihre Angst war das Schlimmste daran.
Und es gab nicht eine verdammte Sache, die er für sie tun konnte – außer bei ihr zu bleiben, sie wissen zu lassen, dass er noch immer Vertrauen in sie hatte. Wenn er schon sonst nichts für sie tun konnte.
Letztes Jahr, als sie beide gedacht hatten, ihre Familie niemals wiederzusehen, hatte er geglaubt, nichts könnte schlimmer sein als das.
Jetzt wusste er es besser.
Das hier ist die Hölle.
Zuzusehen, wie die Frau, die er mehr liebt als alles andere auf der Welt, immer tiefer in das schwarze Loch eines Albtraums fällt. Und nicht eine verdammte Sache tun zu können, um ihr zu helfen.
Hölle.
121
7. Juni
Am nächsten Montag gegen zwei, an einem heißen, feuchten Nachmittag mit Gewitter im Anzug, hatten Sam und Martinez eben das Revier verlassen. Sie überquerten die Rocky Pomerantz Plaza, um bei Markie’s einen Happen zu essen, als Sam auf einmal wie angewurzelt stehen blieb.
»Was ist denn?«, fragte Martinez.
Sam gab keine Antwort.
Er hatte den Blick auf einen kleinen, hellblauen Honda geheftet, der auf der anderen Seite der Washington Avenue parkte.
»O mein Gott«, sagte er leise.
Martinez folgte seiner Blickrichtung. »Wer ist das?«
»Bianchis Schwester«, sagte Sam. »Warte kurz auf mich, Al.«
Er setzte sich wieder in Bewegung, langsam, um sie nicht zu erschrecken.
Sie saß auf dem Fahrersitz, starrte ihn durch ihr offenes Fenster genau an. Jetzt wusste sie, dass er sie gesehen hatte, aber mehr konnte Sam nicht sagen. Er konnte den Ausdruck ihrer Augen nicht lesen, und der Rest ihres Gesichts war reglos, verriet nichts.
Seine Ampel war rot, aber während er darauf wartete, die Straße überqueren zu können, und gegen den Drang ankämpfte, einfach loszusprinten und sich durch den Verkehr zu schlängeln, hatte er den Eindruck, dass sie ihren Mut zusammennahm.
Die Ampel sprang um.
Er setzte sich wieder in Bewegung.
Jetzt konnte er diese dunklen Augen deutlicher sehen, auf ihn geheftet, aber noch immer nicht zu deuten.
Und dann, auf einmal, schien sie zitternd Luft zu holen, und jetzt war alles da, in ihrem Gesicht, eine Art heftiger Schmerz, und Sam beschleunigte seine Schritte.
»Miss Bianchi!«, rief er.
Sie drückte das Gaspedal durch, und der Honda schoss davon.
Sam starrte ihr nach. »Gottverdammt noch mal!«
Martinez überquerte die Straße bei Rot, trat auf der westlichen Seite der Straße zu ihm.
»Was zum Teufel war das denn?«
»Das wüsste ich auch gern.«
»Noch mehr Wut abzulassen?«, vermutete Martinez.
»Ich glaube nicht.«
»Bist du sicher?« Sein Partner dachte an Rache, eine trauernde Frau vielleicht, die diesmal eine Waffe zücken, nicht nur eine Ohrfeige verpassen würde.
»Ich glaube«, sagte Sam langsam, »sie wollte mit mir reden.«
Er grübelte beim Mittagessen immer wieder darüber nach und aß sein Sandwich, ohne es zu genießen. Martinez klopfte ihm bedauernd auf die Schulter. »Du kannst nichts tun, Mann.«
»Ich weiß.«
»Warum habe ich dann das Gefühl, dass du das nicht wirklich glaubst?« Sam leerte eine halbe Flasche Cola.
»Irgendetwas an ihr war anders.«
»Erzähl es Wagner«, schlug sein Partner vor. »Na klar!«
»Ruf ihn an!«
»Ich werde ihn schon noch anrufen.«
»Was hast du vor?« Martinez war unbehaglich zumute. »Ich weiß nicht.«
Sam wartete, bis er einen Moment allein war, dann rief er Angie Carlino in Tampa an. »Was brauchst du, Sam?« Keine Vorrede.
»Ein paar Adressen in Naples«, sagte er wie aus der Pistole geschossen. »Gina Bianchis Zuhause und Arbeit. Ihre Privatnummer steht nicht im Telefonbuch.«
»Kein Problem«, erwiderte sie.
122
8. Juni
Noch drei Tage bis zur Voranhörung.
Wenn er das tun wollte, dann musste er es bald tun.
Heute.
Den ganzen gestrigen Nachmittag und Abend hatte er darauf gewartet, dass Gina Bianchi wiederauftauchte, hatte immer wieder auf sein Handy gesehen, hatte überall
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