Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
von der Sonne zu einem fast kupfern aufschimmernden Braun aufgehellt.
Er nickte und hielt ihr in der hohlen Hand ein längliches Schneckenhaus, in sich gedreht wie ein Korkenzieher, entgegen.
»Ist das schön«, murmelte Jacobina bewundernd.
Jeroen senkte die Hand, damit auch seine kleine Schwester sich das Schmuckstück anschauen konnte, die die Augen aufriss und ergriffen den Mund offen stehen ließ.
»Ich hab noch ganz viele gefunden!« Er steckte die andere Hand in die Hosentasche und präsentierte stolz eine kleine Sammlung ovaler, runder und spitz zulaufender Muscheln und Schneckenhäuser mit glatten oder gerillten Oberflächen in Weiß, Braun, Rosé und Zartgrau, an denen noch Sandkörnchen klebten.
Während Jacobina sie eingehend betrachtete und Jeroens Erklärungen lauschte, wo er sie jeweils gefunden hatte und was er darin sah, tapste Ida vorgebeugt durch den Sand, um auch solche Muscheln zu finden. Mit angespannter Miene ging sie in die Hocke und pulte mit Daumen und Zeigefinger im Sand herum; schrill quiekte sie auf, als die nächste Welle unvermutet kräftig heranrauschte und ihren Sarong bis zum Hinterteil hinauf durchtränkte.
Jeroen und Jacobina brachen in Lachen aus, und auch Ida kicherte; sie richtete sich auf und hielt sich den nassen Stoff vom Popo weg.
»Drocknet wieda!«, krähte sie und zeigte das drollige Grinsen, das sie sich seit Kurzem angewöhnt hatte, bei dem sie das Kinn vorschob, den Mund in die Breite und ihre Stupsnase kraus zog.
Jacobinas Blick fiel auf eine hell gekleidete Gestalt unterhalb des Hauses. Der Major war es, der in weißen Pyjamahosen und weißem Hemd, die Unterarme locker auf den Knien, im Sand saß und auf das Meer hinaussah; im Sonnenlicht loderten sein Haar und sein Bart fast glutrot.
Seit dem Tag, an dem Jacobina vorzeitig mit Jan aus Buitenzorg zurückgekehrt war, hatte sie nicht mehr erlebt, dass er laut wurde oder mit Margaretha de Jong stritt; schon beinahe gespenstisch war es, welche Ruhe über ihn gekommen war. Der Tiger schien gezähmt, beinahe zahnlos, wie er nur noch mit gedämpfter Stimme sprach, die Nähe seiner Kinder suchte und an manchen Abenden Arm in Arm mit seiner Frau auf der Veranda saß. Jacobina hätte froh sein sollen um den Frieden, der endlich wieder im Hause de Jong eingekehrt war, und doch traute sie diesem Frieden nicht so recht; vor allem bedrückte es sie, diesen früher so virilen, temperamentvollen Mann in diesem Zustand zu sehen, der etwas Schwermütiges hatte. Wie er dort drüben im Sand saß, wirkte er geradezu verloren.
»Magst du die vielleicht deinem Vater bringen?«, wandte sich Jacobina an Jeroen und wies auf den Major. »Da freut er sich bestimmt!«
Jeroen nickte und marschierte zügig los, blieb aber nach ein paar Schritten schon wieder stehen und beugte und streckte mit verzerrtem Gesicht erst das eine, dann das andere Knie.
»Was ist? Tun dir die Beine wieder weh?«
Er zögerte und setzte zu einem Kopfschütteln an, und als Jacobina ihn scharf ansah, nickte er mit betretener Miene. »Bisschen … Aber nicht Mama sagen, noni Bina!« Flehentlich sah er sie von unten herauf an. »Sie hat dann immer ganz arg Angst! Dabei sagt der Onkel Doktor immer nur, das ist, weil ich wachse!«
»Das kann schon sein«, erwiderte Jacobina und legte ihm die Hand in den Nacken. Als übte die Meeresluft einen besonders günstigen Einfluss aus, schienen die Kinder tatsächlich in der kurzen Zeit einen Wachstumsschub durchlaufen zu haben. Jeroen war ein gutes Stück in die Länge geschossen und wirkte nun noch schmaler als zuvor, und auch seine Züge hatten an Schärfe gewonnen, wie auch Idas Gesicht weniger rundlich und babyhaft wirkte und sich zu dem eines richtigen kleinen Mädchens ausgewachsen hatte.
Dennoch schritt Jeroen im Sand kräftig aus, und in einigem Abstand folgte ihm Ida mit wehendem Blondhaar. Langsam ging Jacobina ihnen hinterher.
»Papa! Guck mal, was ich gefunden habe!«, hörte Jacobina Jeroen rufen, als er den Major erreicht hatte. Er warf sich zwischen den Beinen seines Vaters auf die Knie und breitete die Muscheln im Sand aus, um seinem Vater die Schätze zu zeigen, während dieser seinen Arm um Ida legte, die sich halb auf seine Hüfte hockte und sich an ihn schmiegte.
Jacobina blieb stehen und wollte sich gerade abwenden, um das Familienglück nicht zu stören, als der Major sie rief. »Guten Tag, Fräulein van der Beek!«
»Guten Tag, Herr Major«, erwiderte sie, zögerte und ging ihm dann
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