Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
mit dem Dampfkahn nur drei Stunden weiter entfernt als Batavia. Was sind schon drei Stunden?
Ein Bitte hätte ich an Dich: Könntest Du Dich vielleicht in und um Buitenzorg umhören, ob jemand etwas über Floortje weiß? Floortje Dreessen; sie ist neunzehn und stammt aus Friesland. Meine Briefe nach Rasamala kamen alle ungeöffnet zurück, der letzte mit dem Vermerk, sie sei unter dieser Adresse nicht mehr zu erreichen, ebenso der Brief, den ich ihr ins Hotel Des Indes geschickt habe. Vielleicht kannst Du auch in Batavia etwas über sie in Erfahrung bringen, so Du dort zu tun hast. Ich bin in großer Sorge und wäre froh um irgendeine Nachricht, wo sie sich gerade aufhält und wie es ihr geht. Solltest Du diese Mühe auf Dich nehmen wollen, wäre ich Dir dafür wirklich sehr dankbar.
Es grüßt Dich von Herzen,
Jacobina
Liber Lieber Onkel Jan,
noni Bina sagt, ich kann auch was schreiben. Wir sind immer am Mehr Meer und spielen viel. Bald lern ich schwimmen.
Jeroen
»Huuiiiiii!« Jacobina hielt Ida unter den Achseln gefasst und drehte sich so schnell mit ihr im Kreis, dass der Sarong und die nackten Füße des kleinen Mädchens durch die Luft flogen und es mit glänzenden Augen aus voller Lunge vergnügt kreischte. Außer Atem stellte sie Ida im Sand ab.
»Nochmaaal«, quietschte Ida und trampelte mit den Füßen, dass der feine Sand aufstob.
»Du bist auf Dauer ganz schön schwer«, schnaufte Jacobina lachend. »Mir tun schon die Arme weh!«
»Noch ma-haaall!«, forderte Ida unverdrossen, hängte sich an Jacobinas Sarong und wippte in den Knien. »Bit-teee!«
»Aber nur noch ein einziges Mal«, gab Jacobina nach, versicherte sich mit einem schnellen Blick, dass Jeroen, den sie in einiger Entfernung am Strand ausmachen konnte, nicht weiter ins Meer hinaus gewatet war, dann schnappte sie sich Ida und wirbelte sie erneut herum, bis das Kind vor lauter Lachen nach Luft schnappte.
»Nochmal!«, versuchte Ida ihr Glück, als Jacobina sie absetzte.
»Oh nein, Fräuleinchen!« Mit einem Auflachen schüttelte Jacobina den Kopf und tippte Ida zärtlich auf die Nasenspitze. »Jetzt ist es wirklich genug.« Sie zeigte auf Jeroen und streckte Ida die Hand hin. »Komm, wir gucken, was dein Bruder alles gefunden hat.«
Unter eifrigem Nicken schob Ida ihre Kinderfinger in Jacobinas Hand. Ein Strahlen auf dem Gesicht, trabte sie neben Jacobina durch den Sand und kicherte ab und zu auf, wenn die gischtgesäumten Wasserzungen, die im Kommen und Gehen des Meeres über den Strand strichen, an ihren Füßen leckten.
Jacobina passte ihre Schritte den kurzen Trippelschritten Idas an und ließ ihre Augen über den fast weißen Sandstrand wandern, der sich wie Mehl unter ihren Fußsohlen anfühlte. Das Wasser schillerte in intensivem Türkis, Persischgrün und Seladon, weiter draußen in sattem Beryllblau, in Aquamarin und Azur. Sie musste nur den Kopf wenden, um die beiden Inseln sehen zu können, die die Bucht von Lampong von der von vielen Schiffen befahrenen Sundastraße zwischen Java und Sumatra trennten. Die Insel Sebuku, von einem Dickicht aus Regenwald überzogen, erhob sich wie ein massiver, von kunstfertigen Händen geschnitzter Malachit aus dem Wasser, während die Insel Sebesi vom Strand aus als eine bläuliche, vom Dunst weich gezeichnete Erhebung mit sanft abfallenden Flanken zu erkennen war. Beide zusammen verstellten den Blick auf die dahinterliegende dritte und weitaus größere Insel: die Insel Krakatau mit ihren drei Berggipfeln, auf die Jacobina während der Überfahrt von Java ein paar Blicke hatte erhaschen können.
Sie schaute noch einmal zu Jeroen hinüber, der mit gesenktem Kopf im flachen Wasser umherstapfte, und dann zu dem Bungalow, der von einer kleinen Anhöhe herab auf das Meer hinaussah. Ein hübsches Haus war es, aus Stein und viel Holz erbaut, mit tief herabgezogenem Dach und einer umlaufenden Veranda, umgeben von einem halb verwilderten, in voller Blüte stehenden Gärtchen hinter einem brusthohen Lattenzaun. Auf den ersten Blick wirkte es kleiner, als es tatsächlich war. Wenn auch im Vergleich zu dem Haus am Koningsplein ein bescheidenes Heim, bot es doch genug Raum für die de Jongs und eine ganze Anzahl Dienstboten, von denen die meisten aus der Gegend stammten; aus Batavia waren nur Ratu, Melati und Endah mitgekommen. Jacobina verfügte hier ebenfalls über ein eigenes Zimmer, und das kleine Badehaus wurde von einem klar sprudelnden Bach gespeist. Auch die einsame Lage des Bungalows
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