Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
aufgeregt tuschelten und immer wieder zu ihnen herübersahen. »Das lass mal besser nicht Ruth hören. Das ist der Rotfuchs da hinten. Der hat neulich nämlich ein Kunde vorgejammert, dass er eigentlich eine gewisse Fleur sucht, weil sein Freund ihm von ihr vorgeschwärmt hat. Hat ganz schön an ihrem Stolz gekratzt.«
Floortje kicherte auf; sie erwärmte sich zunehmend für Betty.
Die ließ ihre Augen mit mildem Ernst auf Floortje ruhen. »Trotzdem gehört du nicht hierher, Schätzchen. Du bist nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt, das seh ich mit einem Blick. Dir mag’s wie ein Vorteil vorkommen, dass du so süß und lieb aussiehst. Für eine wie dich blättern Männer gerne mal viel Geld hin. Da können sie sich einreden, du machst es mit ihnen, weil sie so unwiderstehlich sind, und nicht, weil sie dafür zahlen. Weil sie bei dir das Gefühl haben, sie wären vielleicht sogar der Erste. Auch wenn du’s nicht hören willst: In ein paar Jahren ist Schluss mit süß und lieb, im Gewerbe zählt jedes Jahr, das man auf dem Buckel rumschleppt, doppelt. Und wenn du nicht aufpasst, kriegst du die miesen Kerle ab, die’s brutal mögen. Das trauen die sich nämlich nicht bei einer wie mir, bei Ruth oder Jenny.«
Floortje senkte den Blick und spülte mit einem Schluck Champagner den sauren Geschmack herunter, der sich unvermittelt in ihrem Mund ausgebreitet hatte. Sie hatte jenen einen Frans nicht vergessen, an dem Tag vor drei Wochen, als Batavia unter Donnerkrachen gebebt hatte, und auch nicht den anderen Mann ein paar Tage später, der ähnlich grob zu ihr gewesen war; zwei Stunden hatte sie sich hinterher im Badehaus des Boers abgeschrubbt, bis sie sich wieder einigermaßen sauber fühlte, und erst nachdem sie eine ganze Flasche Champagner leergetrunken hatte, konnte sie einschlafen.
»Dacht ich’s mir doch«, hörte sie Betty grummeln, und Floortje errötete mit zusammengepressten Lippen. »Mädel, ich sag’s nur ungern, aber eine wie du macht’s in dem Gewerbe nicht lang. Glaub mir, ich hab viele Mädchen wie dich gesehen. Einige waren so dumm, sich ein Balg anhängen zu lassen, und die eine oder andere ist in der Hütte eines Pfuschers verblutet, als sie’s loswerden wollte.« Floortje kippte einen großen Schluck Champagner die Kehle hinunter. »Du siehst aus wie eine, die zu weich ist. Die sich zu viel gefallen lässt, und das kann böse ausgehen. Oder du hast Pech und fängst dir die Franzosenkrankheit ein, und dann war’s das. Mit dem Geldverdienen – und mit dir.«
Floortje traute sich nicht nachzufragen, aber Betty hatte ihr offenbar die Ratlosigkeit angesehen. »Hast du davon noch nix gehört?« Sie blickte entgeistert drein und klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ja sag mal, Kindchen! Kommst du denn wirklich vom Mond? Oder aus einem Kloster?«
Floortje gluckste. »So ähnlich. Aus einer kleinen Stadt in Friesland.«
Betty lachte. »Drum!« Sie setzte sich auf, verschränkte die Arme auf der Tischplatte und lehnte sich mit ihrer üppigen Brust darauf. »Syphilis ist eine üble Sache. Eklige Geschwüre und schlimmer Ausschlag, dann ist jahrelang Ruhe, und dann geht’s erst richtig los. Dich zerfrisst’s langsam von innen her, bis du nur noch so schlapp rumliegen kannst wie ein verfaulter Kohlkopf. Viele werden hier«, sie tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, »zu Kartoffelbrei.«
Floortje trank einen großen Schluck, um das Schaudern zu verwässern, das in ihr aufstieg.
»Jaja«, bekräftigte Betty schon beinahe genüsslich. »Ganz üble Sache! Vor allem, wenn die feinen Herren sich das bei ihren Abenteuern holen und zu Hause dann ihre braven Frauchen anstecken. Dann ist womöglich was Kleines unterwegs und geht noch im Mutterleib ein. Oder die armen Würmchen erwischt’s bald nach der Geburt, vielleicht auch irgendwann später, wenn keiner mehr dran denkt.« Ihre Augen funkelten auf, und sie machte mit abschätziger Miene eine ausgreifende Geste. »Spricht man natürlich nicht drüber! Ein feiner Herr hat so was natürlich nicht. So was haben ja immer nur liederliche Frauenzimmer wie unsereins. – Fragt sich nur, woher«, fügte sie grummelnd hinzu.
»Und was kann man dagegen tun?«, wollte Floortje nach einem weiteren Schluck Champagner wissen.
»Nix.« Betty zuckte mit den Schultern. »Außer hoffen, dass es einen nicht erwischt. Angeblich soll eine Kur mit Quecksilber helfen, aber da würd’ ich nicht drauf wetten. Für mich ist das ein Teufelszeug, das
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