Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
war kaum noch zu hören, als sie hinzusetzte: »Da werden die Tropen zum Gift.«
Jacobina zögerte. Sie löste ihre verschränkten Arme und legte eine Hand sachte auf die Margaretha de Jongs. »Und wenn Sie zurück in die Niederlande gehen? Mit den Kindern? Für eine gewisse Zeit, bis Sie sich erholt haben?«
Die Augen Frau de Jongs weiteten sich, erst erstaunt, dann fassungslos. »Das geht nicht, noni Bina. Vincent braucht mich hier, er ist verloren ohne mich. Und ich kann nicht ohne ihn sein.« Ihre Augen schimmerten auf, wie von Tränen. Oder wie unter einem Fieber, und ihre Lippen umspielte ein verträumtes, sehnsüchtiges Lächeln. »Kennen Sie das nicht? Wenn jeder Tag ohne den anderen ein vergeudeter ist? Wenn man nur atmet, weil der andere atmet? Diesen Rausch, in den einen eine Berührung oder auch nur ein Blick versetzen kann?« Fragend sah sie Jacobina an.
Jacobina sehnte sich nach Jan, nach seinen Umarmungen, seinen Küssen, danach, mit ihm zusammen zu sein. Aber dennoch konnte sie hier auf Sumatra glücklich sein, ohne dass er in ihrer Nähe war. Margaretha de Jongs Worte riefen ein nagendes Gefühl hinter ihrem Brustbein hervor, als hätten diese sie auf einen Mangel aufmerksam gemacht, und gleichzeitig ballte sich etwas in ihr zusammen, das ihr die Luft zum Atmen nahm.
»Nein«, entgegnete sie trocken und ließ Frau de Jongs Hand los.
»Dann sind Sie zu bedauern«, flüsterte Margaretha de Jong.
»Oder zu beneiden. Je nachdem, wie man es betrachtet.«
Verärgert wandte Jacobina sich ab und wollte aufstehen; aber Frau de Jongs Hand, die sich um ihren Unterarm schloss, hielt sie zurück. »Was Vincent und ich miteinander teilen, ist Segen und Fluch zugleich. In unseren Adern fließt etwas, das uns für immer aneinander bindet.« Der Griff ihrer Finger verstärkte sich. »Versprechen Sie mir etwas, noni Bina? Wenn ich morgen nicht mehr sein sollte … Kümmern Sie sich dann um Vincent und die Kinder?«
»So sollten Sie nicht einmal denken, Frau de Jong«, wehrte Jacobina ab und wollte sich ihr entziehen, aber Margaretha de Jong packte nur fester zu.
»Bitte, noni Bina! Wir haben außer meinem Vater in Amsterdam keine Angehörigen mehr! Vincents Eltern sind schon lange tot, und seine Schwester lebt auch seit zwei Jahren nicht mehr. Vor allem die Kinder brauchen jemanden. Jemanden wie Sie.«
Jacobina verspürte den Drang, aufzuspringen und das Zimmer zu verlassen, um sich nichts dergleichen mehr anhören zu müssen. Doch der flehentliche Ausdruck in den Augen Frau de Jongs, die sie so sehr an die Augen Jeroens und Idas erinnerten, rührte etwas in ihr an.
»Ja, das verspreche ich«, erwiderte sie schließlich, obwohl sie das Gefühl hatte, eine zentnerschwere Last wälze sich dabei auf ihre Schultern.
»Danke«, wisperte Margaretha de Jong, und in ihren Augen stiegen Tränen auf. »Vielen Dank.«
»Sie sollten sich noch etwas ausruhen«, sagte Jacobina mit einer Fürsorglichkeit, die ihr selbst steif vorkam.
Margaretha de Jong nickte und ließ ihren Arm los, um auf der Matratze nach unten zu rutschen, sich zurechtzulegen und ihren Kopf auf das Kissen zu betten. »Danke«, hauchte sie noch einmal und schloss die Lider.
Jacobina stand auf und ging zur Tür, die sie mit einem tiefen Durchatmen hinter sich schloss. Unruhig ruckten ihre Schultern unter der Kebaya, als müsste sie etwas von sich abschütteln, etwas Dunkles, Klebriges, das ihren Widerwillen erregte.
Behutsam schob sie die gegenüberliegende Tür auf. Unter dem Fenster, das auf das noch immer schäumende Wasser der Bucht hinausging, lag eine Matte auf dem Boden; Melati, die sich mit offenen Augen darauf zusammengerollt hatte, richtete sich hastig auf, einen fragenden, beinahe ängstlichen Ausdruck auf dem runden Gesicht. Jacobina schüttelte den Kopf, machte eine beschwichtigende Geste und schloss die Tür hinter sich. Einige Herzschläge lang stand sie nur da und betrachtete die schlafenden Kinder, Jeroen, der sich in seinem schmalen Bett zu einem Fragezeichen zusammengerollt hatte, und Ida, die auf dem Rücken und mit entspannt ausgebreiteten Ärmchen und Beinchen in ihrem Gitterbett lag.
Melati setzte sich auf, rückte ein Stück zur Seite und deutete einladend neben sich. Jacobina lächelte, obwohl ihr plötzlich Tränen in den Augen brannten, und nickte. Auf Zehenspitzen ging sie hinüber und ließ sich vorsichtig neben Melati nieder. Sie legte den Kopf gegen die geweißelte Mauer, schloss die Augen und lauschte einfach nur
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