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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Mientze sich mit ihren Puppen beschäftigten. Und sie freute sich für Frau de Jong, dass diese in Johanna Beyerinck eine gute Bekannte gefunden hatte, wenn diese auch auf den ersten Blick kaum etwas mit der eleganten Offiziersgattin gemein zu haben schien; die hausbackenen Kleider, die sie trug, saßen wenig schmeichelhaft an ihrer plumpen Figur, und ihre eckigen, ein wenig farblosen Gesichtszügen, die resolut, manchmal geradezu verbissen wirkten, ließen sie älter aussehen als Mitte zwanzig. Gewiss war es für sie nicht immer leicht, hatte sich Jacobina schon mehrfach gedacht, mit drei kleinen Kindern in einer solch entlegenen Gegend zu leben, in der es kaum Europäer gab, vor allem kaum europäische Frauen. Mit einem Mann, der mit seinen Aufgaben als Verwalter, der im Umland nach dem Rechten sah, als Steuereintreiber, Arm des Gesetzes und Schlichter in kleineren Rechtsstreitigkeiten alle Hände voll zu tun hatte.
    »Looo-laaahh!«, kreischte Ida unverdrossen, und die ersten Tränchen kullerten aus ihren Augen.
    In ihrem hübschen blau, beige und cognacbraun gemusterten Nachmittagskleid, ein passendes Hütchen auf dem aufgesteckten Haar, richtete sich Margaretha de Jong auf und sah Jacobina hilfesuchend an. »Liebe noni Bina, es gehört zwar eigentlich nicht zu Ihren Aufgaben, aber könnten Sie vielleicht trotzdem …«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Jacobina.
    »Hast du gehört«, Frau de Jong ging vor Ida in die Knie, die mit vorgeschobener Unterlippe zu schluchzen begonnen hatte, und fasste das widerstrebende Mädchen in ihrem Rüschenkleidchen um die Leibesmitte. »Die noni Bina sucht deine Lola! Wenn wir zurück sind, hast du sie wieder, ja?«
    »Proch’n?«, schluchzte Ida und sah aus nassen Augen zu Jacobina auf.
    »Versprochen«, bekräftigte Jacobina lächelnd.
    Ida gab noch einen lauten, stoßweisen Schluchzer von sich, der ihren kleinen Leib durchschüttelte, dann ließ sie sich halbwegs besänftigt von Melati die Nase putzen und bei der Hand nehmen.
    »Du, Jeroen«, Jacobina fasste ihn bei der Schulter und ging vor ihm in die Hocke. »Wo hast du Idas Puppe zuletzt gesehen?«
    Jeroen hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Weiß nicht«, lispelte er durch seine frische Zahnlücke hindurch, die ihm das freche Aussehen eines kleinen Räuberhauptmanns verlieh.
    »Was habt ihr heute Morgen gemacht?«
    Jeroen legte die Stirn in grüblerische Falten. »Verstecken gespielt. Im Haus. Dann war sie, glaub ich, weg.«
    »Danke dir.« Jacobina gab ihm einen liebevollen Klaps auf den Rücken und erhob sich.
    »Bis heute Abend, noni Bina!«, rief Frau de Jong und winkte ihr zu, während sie mit Jeroen an der Hand aus der Tür trat, auf den Pferdewagen zu, dessen Kutscher ihr und dem Jungen hereinhalf, dann Ida und Melati, bevor er selbst aufstieg und anfuhr, in das grüne Dickicht des Dschungels hinein.
    Mit dem Ärmel ihrer Kebaya fuhr sich Jacobina über die schweißnasse Stirn. Den ganzen Juni schon blies zwar ein kräftiger Wind, doch der brachte im Inneren des Hauses kaum Abkühlung, zumal Jacobina überall herumgekrochen war und in alle Schränke und unter alle Möbelstücke gespäht hatte, ob sie irgendwo Idas Puppe entdecken konnte; am Saum und an den Knien war ihr Sarong grau vor Staub und Sand. Seufzend stemmte sie die Hände in die Hüften und sah sich um. Ihr Blick fiel auf die Tür, hinter der sich das Schlafzimmer der de Jongs befand, und sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Obwohl sie wusste, dass die de Jongs keinen Wert auf solcherlei Förmlichkeiten legten, widerstrebte es ihr, das Zimmer ohne ausdrückliche Erlaubnis zu betreten. Andererseits war das elterliche Schlafzimmer bestimmt ein reizvoller Ort, um Verstecken zu spielen, und obendrein waren sowohl Margaretha de Jong als auch der Major außer Haus. Sie gab sich einen Ruck, schob sachte die Tür auf und lehnte sie hinter sich wieder an.
    Auf den Knien rutschte sie über den Boden, schaute unter dem Frisiertisch, unter dem Bett und unter dem Schrank nach. Während sie überlegte, ob sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, Letzteren zu öffnen, fiel ihr Blick auf den bunten Vorhang. Ihre Miene erhellte sich, und sie stand auf.
    Nach einem kurzen Zögern schob sie die breite Stoffbahn beiseite. Auf einer langen Stange hingen die Abendroben Margaretha de Jongs, die, nachdem sie so lange schon keine Verwendung mehr gefunden hatten, einen muffigen Geruch verströmten, daneben drei Uniformröcke des Majors mit

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