Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
war fast fehlerfrei, wenn die Silben auch seltsam abgehackt klangen.
Floortje spähte zu dem Wagen hinüber; sie konnte nicht viel erkennen außer einem Paar Beine in grauen Anzughosen mit akkurater Bügelfalte, darunter glänzend polierte Schuhe. Und dass der Fahrgast seinen Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. »Was würde mir Ihr Herr denn dafür anbieten?«
»Einhundert Florin, Mademoiselle.«
Floortje vergaß für einen Augenblick das Atmen; sie bemühte sich jedoch, sich nichts anmerken zu lassen, und gab sich den Anschein, als müsste sie dieses Angebot erst gründlich überdenken.
»Fleur! Stop ! Fleur!«
Sie wandte sich um. Mit wogendem Busen kam Betty angerannt, drängte sich zwischen Floortje und den Chinesen, der sogleich mit demütig gesenktem Kopf ein paar Schritte zurücktrat, und packte sie beim Arm. »Ich hab den Wagen von der Veranda aus gesehen und mir gedacht, dass er deinetwegen hält«, flüsterte sie außer Atem. »Mach’s nicht, steig nicht ein!«
»Warum nicht?«, flüsterte Floortje verblüfft zurück. Dann glaubte sie zu verstehen, sah den Chinesen an und noch einmal zu dem Wagen hinüber. »Weil er ein Chinese ist?«
»Ja … nein … auch!«, schnaufte Betty und zerrte an ihrem Arm. »Los, komm!«
»Einhundert Florin bietet er mir«, zischte Floortje. »Einhundert!« Hastig sah sie sich nach allen Seiten um. »Wenn ich da jetzt einsteige, bekommt das doch niemand mit, solange du es nicht weiterzählst!«
»Darum geht’s doch nicht!«, konterte Betty ungeduldig.
»Sondern?«
Bettys blaue Augen richteten sich auf die Barouche. »In diesem Wagen da … Da sitzt kein guter Mensch drin.«
Floortje lachte auf. »Wenn’s danach gehen würde, würden wir jeden Tag nur auf der Veranda rumhocken.« Ihr Kinn ruckte in Richtung der Barouche. »Kennst du ihn?«
»Nicht persönlich«, erwiderte Betty zögernd. »Aber ich habe nichts Gutes über ihn gehört.
Floortje war geneigt, auf Betty zu hören, schließlich verfügte diese über viel mehr Erfahrung, aber das Geld, das sie gut brauchen konnte, lockte sie genauso sehr. »Was genau hast du gehört?«
»Bitte, Fleur, komm einfach wieder mit«, wich Betty aus und zog an ihrem Arm.
Floortjes Augen verengten sich; sie wurde das Gefühl nicht los, dass Betty ihr dieses Angebot nicht gönnte, und das halb warnende, halb ungläubige Kopfschütteln Bettys verriet ihr, dass diese ahnte, in welche Richtung Floortjes Gedanken wanderten.
»Mir wird schon nichts passieren«, sagte Floortje schließlich leichthin und schüttelte Bettys Hand ab. Sie nickte dem Chinesen zu. »Ich nehme die Einladung Ihres Herrn gerne an!«
»Bitte, Mademoiselle.« Lächelnd und mit ausgestreckter Hand geleitete er sie zum Wagen und half ihr hinein, bevor er selbst zum Kutscher aufstieg und der Wagen sogleich anfuhr.
Floortje beugte sich heraus und winkte Betty vergnügt zu, die der davonrollenden Barouche hinterhersah, während sie wie versteinert unter dem Baum stand und die Arme unter ihrer Brust verschränkt hielt, als fröre sie.
Sie fuhren nicht weit, wieder auf den Nordwijk hinaus, überquerten dann auf einer Brücke den Molenvliet und rollten ein Stück den Rijswijk entlang. Floortje hatte kaum genug Zeit, den Mann, der ihr schräg gegenübersaß und mit gesenktem Kopf zum Wagen hinaussah, genauer zu mustern. Er schien schlank zu sein, wenn auch eher kompakt gebaut denn schmal. Der graue Anzug war hervorragend geschnitten und aus einem edlen, leichten Stoff, und wenn die Strahlen der Sonne hereinfielen, glänzten die Kette einer Taschenuhr auf seiner Weste und die goldenen Manschettenknöpfe unter dem Ärmelsaum auf. Er hatte schöne Hände, schlank und doch kräftig, die locker auf seinen Oberschenkeln ruhten; zwischen Daumen und Zeigefinger drehte er einen Ring mit schwarzem Stein um den kleinen Finger der anderen Hand.
Obwohl sie sich Betty gegenüber furchtlos gegeben hatte, war Floortje doch erleichtert, als die Barouche vom Rijswijk bald wieder abbog, auf ein Grundstück mit hohen Bäumen hinter einem Gartenmäuerchen, und sie in den Bungalows, über die die Baumkronen ein Netz aus Schattenflecken warfen, das Grand Hotel Java erkannte; in dieser ebenso guten wie ehrbaren Unterkunft würde ihr gewiss nichts Böses geschehen.
Ein Bediensteter des Hotels half ihr aus dem Wagen, verbeugte sich dann tief vor dem Fremden; anstatt sich erst im Haupthaus mit seinen schlanken Säulen und dem hölzernen Balkon unter einem pyramidenförmigen Dach
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