Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
viele Geld sonst nichts weiter hatte tun müssen, und doch schluckte sie schwer daran, dass er sie offenbar so reizlos gefunden hatte.
Langsam stand sie auf und zog sich wieder an. Ihr Haar ließ sie offen; sie stopfte nur die Scheine in die Tasche, nahm ihren Hut und den Fächer und marschierte mit hochgerecktem Kinn hinaus.
Sein chinesischer Diener wartete schon auf sie; lächelnd und mit seiner üblichen Geste begleitete er sie zum Wagen, in dem sein Herr bereits Platz genommen hatte. Hoch erhobenen Hauptes und mit überheblicher Miene ließ sich Floortje schräg gegenüber von ihm nieder, und dieses Mal stieg auch der Diener mit ein.
»Mein Herr«, ergriff der Diener wieder das Wort, »fragt, ob Mademoiselle ihm Gesellschaft leisten. In seinem Haus. Ein paar Monate.« Er machte eine kunstvolle Pause und fügte dann hinzu. »Fünfhundert Florin jeden Monat.«
Floortjes Pulsschlag beschleunigte sich, und hastig sah sie zu dem Fremden hin, der mit abgewandtem Kopf auf den Rijswijk hinaussah. Demnach hatte er doch Gefallen an ihr gefunden! Zwei oder drei Monate in seinem Haus, und sie hätte genug Geld für eine Schiffspassage beisammen, gleich wohin die Reise auch gehen würde, und um die erste Zeit nach der Ankunft zu überbrücken. Wenn es ihr gelang, länger bei ihm zu bleiben, könnte sie womöglich gar das Kapital zusammenbekommen, um ein Geschäft zu eröffnen, vielleicht einen Kurzwarenladen wie ihr Vater früher, damit kannte sie sich aus. Vermutlich würde er es in der Zeit nicht dabei belassen, sie nur anzusehen, aber wenigstens gäbe es dann nur noch einen Mann statt vieler, und sie müsste sich auch nicht mehr den Kopf zerbrechen, ob überhaupt ein Kunde sie haben wollte und was morgen sein würde. Wenn sie dieses Angebot annahm, könnte sie danach endlich damit aufhören, sich zu verkaufen.
»Sechshundert«, erwiderte sie, bemüht, möglichst gelassen zu klingen.
Der Fremde murmelte etwas vor sich hin, und im Sitzen verneigte sich der Diener lächelnd. »Sechshundert, Mademoiselle.«
Floortje hüpfte das Herz in der Brust, und sie hatte alle Mühe, ihr triumphierendes Lächeln zu unterdrücken. »Gut. Einverstanden.«
»Wo wohnen Mademoiselle?«, erkundigte sich der Diener lächelnd. »Dann holen gleich Ihre Sachen.«
» Hotel Boers , Gang Mendjangan.«
Der chinesische Diener beugte sich heraus und rief die Adresse nach vorne, und der Wagen fuhr an.
»Hat Ihr Herr denn auch einen Namen?«, fragte Floortje, die sich schon lange nicht mehr derart selbstsicher gefühlt hatte, mit einer Spur von Spott, während sie den Rijswijk entlangrollten.
Der Fremde wandte den Kopf, und sein großer Mund verbreiterte sich. »Haben Sie denn einen?«
Es war beinahe ein Schock, ihn sprechen zu hören, noch dazu in fast akzentfreiem Holländisch; seine Stimme war tief und volltönend und ließ Floortje einen Schauder über den Rücken laufen.
»Fleur«, wisperte sie.
Sein Mund verbreiterte sich weiter. »Nennen Sie mich Kian Gie.«
Kian Gie. Floortje versuchte sich die fremden Laute einzuprägen, und während er wieder auf die Straße hinaussah, musterte sie ihn verstohlen. Er war nicht unattraktiv, für einen Chinesen; ein paar Monate würde sie es bestimmt mit ihm aushalten können.
Sie sah auf die vorbeiziehenden Häuser hinaus und lächelte in sich hinein. Endlich schien sich ihr Schicksal wieder zum Guten zu wenden.
30
Immer wieder huschte ein verzücktes Lächeln über Floortjes Gesicht, während sie die Häuser mit den gemusterten Fenstergittern und den durchbrochenen Balustraden unter geschwungenen Dächern betrachtete, an denen sie vorüberfuhren. Sie wandte den Kopf und sah den Chinesen hinterher, die vor den mit roten Lampions, goldenen Schriftzeichen und mit Streifen von Flitterpapier geschmückten Lädchen ihrem Tagwerk nachgingen. Nach Holzkohlefeuern roch es hier, nach Bratfett und Gewürzen, und darunter lag ein stechender Geruch, den Floortje aber nicht als übermäßig unangenehm empfand.
Die mit Floortjes in aller Eile vollgestopften Koffern und Hutschachteln bepackte Barouche bog ab und hielt vor einer hohen Mauer. Das massive Eingangstor, das mit Ranken, Wolken und Drachen verziert war, ging langsam nach innen auf, und die Barouche ruckelte unter dem goldverzierten Türsturz hindurch. Ein mit Schwert und Gewehr bewaffneter Türhüter, ähnlich gekleidet wie der Diener ihr gegenüber, schob die beiden Flügel wieder zu und verriegelte sie.
Der Wagen kam zum Stehen, und auf den Arm
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