Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
des Dieners gestützt, stieg Floortje aus; zwei weitere Chinesen eilten durch den Hof herbei, machten sich am Gepäck zu schaffen und schleppten es zum Haus hinüber.
Mit großen Augen bewunderte Floortje das Haupthaus und die Anzahl niedriger Nebengebäude, die sich daran anschlossen. Ausladende Baumkronen spendeten kühlen Schatten, und hohe Sträucher standen in üppiger roter und gelber Blüte. Zwischen den Baumstämmen konnte sie erkennen, dass sich beiderseits des Hauses Mauern mit je einem geschlossenen Tor darin bis zur großen Umfriedungsmauer erstreckten. Die Dächer aus roten und grünen Ziegeln, deren rotlackierte Dachfirste in kunstvoll gestalteten Drachenfiguren endeten, gefielen ihr, ebenso der Balkon mit der zart durchbrochenen Balustrade und den Glaslaternen.
Kian Gie war bereits vorausgegangen und die Stufen zum großen Portal hinaufgestiegen; mit einer tiefen Verbeugung hielt ihm ein Diener einen der Türflügel auf.
»Bitte, Mademoiselle.«
Floortje nickte und ging zwischen den beiden steinernen Löwen hindurch ebenfalls die Treppe hinauf.
Ihre Augen wanderten durch die große Halle mit den hohen, prächtig bemalten Bodenvasen, aus denen exotische Blütenstände quollen, und blieben neugierig an einer Art Altar auf der rechten Seite hängen, einem ausladenden Tisch, dessen überbordendes, durchbrochenes Schnitzwerk teilweise vergoldet war. Filigrane Metallsockel, die in geschwungenen Zweigen und Blättern Löwenfiguren zeigten, hielten zwei Kristallgläser, und in vollkommener Symmetrie waren daneben zwei kunstvoll bemalte Porzellangefäße und eine Art Laterne aus geschnitztem, bemaltem Holz arrangiert. An der Wand dahinter hingen lange Streifen aus goldfarbenem Metall, auf denen sich Schriftzeichen untereinanderreihten und ein Gemälde einrahmten, das einen rotgesichtigen, dicken Mann mit chinesischen Zügen zeigte, einen mit schwarzem Gesicht und eine kreidebleiche Frau; alle drei trugen prächtige Gewänder, chinesische Gottheiten vermutlich. Ein zweiter, kleinerer Tisch stand davor, und darauf verteilten sich weitere Gefäße aus Porzellan und Schalen mit Obst und Blüten; dazwischen brannte Räucherwerk, das einen betäubenden Duft verströmte.
Eine Frauenstimme ließ Floortje sich umdrehen. Auf der Treppe stand eine sehr alte Chinesin in blaugemusterter Bluse und Rock, das Gesicht unter dem grauen Haarknoten runzlig und welk, die sich nun vor ihr verneigte und die Treppe hinaufwies. Floortje lächelte und nickte, und während sie ihr hinterherging, bewunderte sie die Schnitzarbeit des Treppengeländers, und auf dem Korridor, in den sie danach einbogen, bestaunte sie die feinen Teppiche mit den üppigen Mustern, die Konsolen und Vasen und verschnörkelten Lampen, die fremdartigen, gerahmten Aquarelle und Zeichnungen von blassen chinesischen Damen und langbärtigen Männern, Baumkronen voller Blüten und Vögel und Landschaften mit sanften Hügeln und mäandernden Flüssen.
Mit einer Handbewegung und Lauten, die Floortje nicht verstand, geleitete die Chinesin sie in ein Zimmer am Ende des Korridors und schloss mit einer Verbeugung sanft die Tür hinter ihr.
Ihr Gepäck war schon da, akkurat nach Größe und Form vor dem Fußende des Betts aufgestapelt, das einen Gutteil des Raumes einnahm. Ein wuchtiges Möbelstück war es mit seinen starken, von Schnitzereien verzierten Pfosten, und umso zarter wirkten dagegen das zurückgeschlagene Moskitonetz und die feinen Leintücher und Kissenbezüge. Durch eine Tür konnte Floortje einen Blick in das angrenzende Badezimmer mit der großen Porzellanwanne werfen, und den massigen Schrank neben dem hohen Standspiegel überzogen rätselhafte Symbole und goldfarbene Beschläge.
Die Flügel des Fensters neben dem Bett standen nach innen auf, und das muntere Plätschern von Wasser und ein Duft von frischem Grün und Blüten zogen herein.
Floortje schlüpfte aus den Schuhen und ging über den Teppich, der ihren Fußsohlen schmeichelte. Ein Lächeln schien auf ihrem Gesicht auf, als sie den quadratischen Innenhof betrachtete, der sich, von drei glatten Hausmauern unter geschwungenen Ziegeldächern umringt, an das Haupthaus schmiegte und vor blühenden Bäumen und Sträuchern überquoll. Kieswege schlängelten sich hindurch, und unter dem Laubdach eines der Bäume konnte sie eine Sitzbank und einen zierlichen Springbrunnen ausmachen. Sie beugte sich weiter heraus und ließ ihre Blicke über das gesamte Anwesen schweifen. Die Mauern, die von den
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