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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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ins Ohr. »Sie und ich. Reizvoll, Fräulein van der Beek. Sehr reizvoll.«
    Er stieß sich von der Wand ab und verließ vergnügt pfeifend das Zimmer.
    Jacobina vergrub das Gesicht in den Händen. Erst nach einer Weile gelang es ihr, sich mit wackeligen Knien nach Idas Puppe zu bücken. Mechanisch setzte sie einen Schritt vor den anderen, am Bett vorbei, auf dessen zerknitterten Leintücher sich ein nasser Fleck ausbreitete, von hellroten Sprenkeln durchzogen. Sie lenkte ihre Schritte ins Zimmer der Kinder hinüber, wo sie Lola in Idas Bettchen legte. Überlaut drangen aus dem Badehaus das Plätschern von Wasser und das fröhliche Pfeifen des Majors zu ihr.
    Langsam wandte sie sich um und ging in den Salon. Auf der Veranda beschleunigte sie ihre Schritte und eilte die Treppen hinunter; sobald sie einen Fuß auf Sand gesetzt hatte, rannte sie los, so schnell sie konnte, als sei der Teufel selbst hinter ihr her. Bis sie stolperte und der Länge nach in den weichen, pulvrigen Untergrund fiel. Keuchend grub sie die Finger in den Sand und presste ihren ganzen Körper hinein, ihren rebellierenden Magen, ihren Unterleib, in dem es sehnsüchtig pochte, von Empfindungen gepackt und geschüttelt, die sie nicht kannte und die ihr in ihrer Wucht unheimlich waren. Die ihr Angst machten und die sie beschämend und abstoßend fand.
    Und die dennoch nicht aufhörten, in ihr zu toben, und etwas in ihr zum Lodern brachten.

29
    »Nee, nee, nee.« Betty schüttelte den Kopf und nahm einen großzügigen Schluck aus ihrem Champagnerglas. »Da denkt man nun, man hat alles gesehen – und dann so was!«
    Hinter ihrem Fächer kicherte Floortje über Bettys Anekdote eines Kunden, der nichts weiter gewollt hatte, als ihre bloßen Füße zu berühren, daran zu riechen und sie sich dann gegen seinen Schritt zu drücken.
    In der Gesellschaft von Betty und Jenny mit den gefärbten Haaren, von Ruth, die zähneknirschend nach und nach ihre Feindseligkeit gegenüber Floortje abgelegt hatte, und der Fünften im Bunde, der stämmigen Gertrud, die eine Vorliebe für Kleider in grellen Farben wie Rot, Orange und Fuchsia hatte, fühlte Floortje sich wohl; es war nicht dasselbe wie das, was sie mit Jacobina verbunden hatte, aber sie lebte nun auch in einer anderen Welt.
    Es tat gut, mit den anderen Frauen zusammenzusitzen und von ihren Erlebnissen mit den Männern zu erzählen, sich über deren Benehmen zu empören oder herzhaft über manche komische Situation zu lachen. Über einen Mann, der Dutzende Male hintereinander gestöhnt hatte ichkommichkommichkommgleich , bis Jenny entnervt dazwischengerufen hatte, schön , sie sei nämlich schon längst da. Und über den sehr gutaussehenden Herrn, der Ruth ab und zu besuchte und verlangte, dass sie ihm mit der Reitpeitsche, die er mitbrachte, kräftig den Hintern versohlte. Eine Zeitlang hatte Betty einen Kunden gehabt, der nur darauf aus gewesen war, sich auf dem Bett zusammenzurollen und das Gesicht in ihren nackten Brüsten zu vergraben, während er an seinem Daumen nuckelte, und Gertrud wusste von einem Kunden zu berichten, der hinterher jedes Mal schluchzend in Tränen ausbrach, weil er ein solch schlechtes Gewissen ihr gegenüber hatte – aber stets aufs Neue zu ihr kam. Von Herta hatten die anderen Floortje erzählt, einer Deutschen aus Berlin, die mit dem Geld, das sie hier in Batavia verdient hatte, nach San Francisco ausgewandert war und dort eine Kneipe eröffnet hatte und manchmal Ansichtskarten ins L’Europe schickte. Über Größe, Ausdauer und spezielle Vorlieben und Techniken tauschten sie sich aus und warnten einander vor Kunden, vor denen man sich in Acht nehmen musste. Und sie wurden nicht müde zu betonen, wie viel besser es ihnen doch ging als den Chinesinnen von Glodok, die gegen ihren Willen als halbe Kinder hierher verschifft und zur Arbeit in den Hinterräumen einer Opiumhöhle gezwungen wurden und die nach ein paar Jahren am Ende waren, misshandelt und nicht selten todkrank. Besser auch als den einheimischen Frauen, die rings um den Hafen ihre Dienste anboten und sich dafür mit einer Handvoll Kupfermünzen zufriedengeben mussten.
    Die Frauen vom L’Europe hatten es nicht immer leicht, sich im Überangebot exotischer Frauen in Batavia zu behaupten, aber wenigstens waren sie besser bezahlt und ihre eigenen Herrinnen, und auch wenn sie einander doch immer mal wieder misstrauisch beäugten, weil sie im Grunde miteinander im Wettstreit um den nächsten Kunden lagen, verband sie eine

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