Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Nebengebäuden abgingen, teilten das Grundstück in zwei Hälften; dahinter konnte Floortje die grünen und roten Dächer mehrerer aneinandergebauter Häuser ausmachen, von dichten Baumkronen umgeben. Irgendwo unter ihr schnoberten Pferde in den Stallungen, und sie glaubte, Kinderlachen zu hören. Jenseits der Umfriedungsmauer waren die geschweiften Dächer des Stadtviertels zu erkennen, die sich wellten und kräuselten wie die Oberfläche eines großen rötlichen Sees.
Floortje drehte sich um und ließ mit einem verzückten Laut den Atem ausströmen, als ihr Blick auf den Frisiertisch fiel. Wie der dazugehörige hochlehnige Stuhl war er von ähnlicher Schnitzarbeit wie der Altar in der Eingangshalle und verfügte über zahlreiche Schubfächer und Türen; ein Tuch in Türkis und Crème war darauf ausgebreitet, über und über mit Blüten und Phönixen in verschiedenen Farben bestickt und von Fransen aus aufgefädelten Glasperlen gesäumt. Gemusterte und goldbemalte Porzellanschälchen und Döschen in Rot, Jadegrün und Blau verteilten sich darauf und auf der geschnitzten, mit Blattgold überzogenen Konsole des quadratischen Schminkspiegels. Ein Bouquet aus Rosen und Lilien schmückte das Tischchen daneben, auf dem auch eine große Schale mit Früchten stand sowie eine bauchige Porzellandose mit einem Dekor aus Pfingstrosen. Neugierig hob Floortje den Deckel an und besah sich das bunte Konfekt darin. Sie nahm sich ein in verschiedenen Rottönen gestreiftes Stück und knabberte es vorsichtig an, während sie die Dose wieder verschloss; ein genießerischer Laut entfuhr ihr, als sich ein Geschmack wie gezuckerte Rosen auf ihrer Zunge ausbreitete, und sie steckte sich den Rest in den Mund.
Kauend stand sie einen Augenblick noch da und besah sich all die exotische, luxuriöse Schönheit, die sie umgab, dann schluckte sie die Süßigkeit hinunter, nahm Anlauf und warf sich quer auf das Bett, rollte sich auf den Rücken, strampelte mit Armen und Beinen und lachte und quiekte glücklich an den Betthimmel hinauf.
Sie hatte das große Los gezogen.
Floortje stand vor dem großen Spiegel und betrachtete ihr Ebenbild, vom Lampenschein in warmes, schmeichlerisches Licht getaucht. Ihr Haar floss schwer und glänzend um die Schultern des seidenen Morgenrocks und verströmte einen süßen Blütenduft, ebenso wie ihre Haut, auf der ein zarter Goldhauch lag, und der Balsam, der ihre Lippen feucht schimmern ließ, schmeckte nach Rosen wie das Konfekt, von dem sie den Nachmittag über reichlich genascht hatte. Schön fand sie sich, schön und verführerisch. Ihr Blick wanderte abwärts über ihren Leib, den der offen stehende Morgenrock enthüllte. Die alte Chinesin und eine zweite, jüngere Dienerin, die sie gebadet und Haut und Haar mit verschiedenen Tinkturen und Ölen eingerieben hatten, hatten ihr jedes noch so zarte Körperhaar entfernt. Floortjes Hand legte sich gegen ihre Scham, die kahl und glatt war wie die eines kleinen Mädchens, und zum wiederholten Mal musste sie darüber kichern.
Sie schlug die Schöße des Morgenrocks übereinander und verknotete das Band in der Taille, bevor sie noch einmal hingebungsvoll über den zarten Stoff strich. Blütenzweige entfalteten sich auf dem türkisfarbenen Untergrund, und dazwischen öffneten tropische Schmetterlinge ihre farbenprächtig gezeichneten Flügel. Es klopfte, und auf Floortjes Antwort hin trat die alte Chinesin mit einer Verbeugung ein. Floortje schlüpfte schnell in die verschwenderisch mit buntem, glitzerndem Garn bestickten Pantoffeln und folgte ihr durch den spärlich beleuchteten Korridor.
Vor einer Tür machte die Chinesin halt und pochte demütig ans Holz; ein einsilbiger, bestimmter Ruf war von der anderen Seite zu hören, und die Dienerin hielt Floortje mit einer Verneigung die Tür auf.
Schüchtern trat Floortje ein. Kerzen in Laternen aus buntem Glas und in massiven Leuchtern fluteten den Raum mit goldenem Schimmer und ließen die rot bespannten Wände geheimnisvoll leuchten. Rot und seidig wie Mohnblumen glänzten auch die Bezüge und der Baldachin des breiten Bettes in einer weiten Nische, dessen Rahmen und Pfosten aus lackschwarzem Holz geschnitzt waren.
Am Fenster mit den geschlossenen Läden stand Kian Gie, barfuß und in einem Morgenrock aus schwarzer Seide mit roten und goldenen Drachen. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und fuhr dann fort, die Kerzen eines weiteren Leuchters auf einem Tischchen mit geschwungenen Beinen anzuzünden. Floortje schaute
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