Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
und seine Miene wirkte unvermittelt hart. »Von meiner Großmutter.« Mit langsamen Bewegungen wandte er dann einzelne Gemüsestreifen um. »Sie kam aus dem Osten Javas und hat als junges Mädchen im Haus eines Beamten gearbeitet. Ein Witwer mit Tochter. Die hatte Mühe mit Malaiisch und brachte meiner Großmutter deshalb Holländisch bei. Was damals noch verboten war. Als meine Großmutter alt genug war, hat der Beamte sie in sein Bett geholt, und weil sie das Kind – meine Mutter – nicht wegmachen lassen wollte, hat er sie aus dem Haus gejagt.« Einer seiner Mundwinkel hob sich, als er Floortje ansah. »Ich bin also nur ein halber Chinese. Die andere Hälfte ist javanesisch und holländisch.« Er schaufelte sich einen Mundvoll aus dem Schälchen auf die Essstäbchen. »Und über die Geschäfte habe ich noch viel von der Sprache gelernt.«
Floortje war unbehaglich zumute; etwas in seiner Stimme, seinen Augen hatten sie angerührt, und doch war es ihr unangenehm, dass Kian Gie für einige Augenblicke so zugänglich gewirkt hatte. Beinahe menschlich.
»Was machst du für Geschäfte?«, fragte sie deshalb schnell nach. Ebenso oft, wie er an seinem Schreibtisch saß oder Besuch bekam, fuhr er in seiner Barouche davon; zähe Stunden für Floortje, in denen sie nichts mit sich anzufangen wusste in einem Haus, in dem alles an bedrucktem und beschriebenem Papier in chinesischen Schriftzeichen verfasst war. Wenigstens hatte sich ihre Hartnäckigkeit ausgezahlt, mit der sie hinter ihren Dienerinnen hergelaufen war, sodass die ihr schließlich ein paar Worte und Wendungen ihrer Sprache, des Baba Malay, beigebracht hatten. Unwillig, beinahe ängstlich, als hätte ihnen Kian Gie verboten, zu engen Kontakt mit ihr zu pflegen.
»Ich verkaufe Träume«, erklärte er mit vollem Mund. Als Floortje ihn verständnislos ansah, fuhr er schmatzend fort: »Den Traum, Geist und Körper miteinander und mit dem Leben zu versöhnen. Sich frei zu fühlen und ohne Sorgen, ohne Schmerz zu sein. Für eine gewisse Zeitspanne alles vergessen zu können. Und den Traum von hübschen Mädchen, die einem jeden Wunsch von den Augen ablesen. Blumenmädchen, die einem Mann die Tür zum Himmel öffnen.« Er nahm mit den Stäbchen einen weiteren Mundvoll aus seinem Schüsselchen, und als er Floortjes ratlosen Blick auffing, setzte er ungeduldig hinzu: »Opium und Huren aus China.«
Floortje überlief es heiß und kalt; sie zog auch das andere Knie herauf und umschlang beide Beine fest. »Ist das nicht gegen das Gesetz?«
Kian Gies Augenbrauen zuckten belustigt. »Nicht in Batavia.« Sein Mund verbreiterte sich, während er die Reste aus dem Schälchen zusammenkratzte. »Nicht so, wie ich meine Geschäfte führe. Meine Bücher sind sauber.« Er warf ihr einen Blick zu. »Es werden also nicht so bald Ordnungshüter vor dem Tor stehen, in deren Arme du dich flüchten kannst.«
Floortje biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf; wieder einmal hatte er die Richtung erraten, in die ihre Gedanken gewandert waren. Sie dachte darüber nach, wie die Wirkung von Opium beschrieben hatte. Sich frei zu fühlen, ohne Schmerzen und vergessen zu können – das klang verführerisch. Sehr verführerisch.
»Kann ich es mal probieren – Opium, meine ich?«
Um seinen Mund zuckte es. »Hast du schon. Immer, wenn du hinterher zu sehr gejammert hast.«
Floortje schluckte, erst erschrocken, dann verlangend, als sie an den Tee dachte, den ihr die beiden Dienerinnen am ersten Abend nach dem Bad eingeflößt hatten und der ihr einen seligen, tiefen Schlaf beschert hatte, wie in den anderen Nächten, in denen Kian Gie besonders grob zu ihr gewesen war.
Sich frei fühlen. Ohne Schmerzen. Vergessen können …
»Dann gib mir mehr davon«, flüsterte sie heiser.
Kian Gie lachte trocken auf. Mit der Zunge fuhr er sich über die Zähne, stellte das leere Schälchen aufs Tablett und legte die Stäbchen quer darüber. »Sicher nicht. Dann habe ich bald eine süchtige Nutte im Bett, die mit leerem Blick alles reglos über sich ergehen lässt. Daran habe ich kein Vergnügen.«
Er streckte die Hand aus, um ihr über die Wange zu streicheln, aber Floortje bog den Kopf zurück. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Warum hasst du mich so sehr? Weil ich Holländerin bin?«
Sie spürte seinen Blick auf sich, und durch den Tränenschleier hindurch sah sie, wie sich seine Brauen zusammenzogen. »Ich hasse dich nicht.« Er rutschte näher, stellte die Beine auf und zog Floortje
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