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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Fuß tätowierte Frau. Siamesische Zwillinge. Einen Mann, der Feuer und Schwerter schluckte. Einen indischen Fakir, der über Nagelbretter und Glasscherben ging. Jongleure und Messerwerfer. Einen Illusionisten und einen Schlangenbeschwörer. Die Menagerie konnte mit einem bengalischen Königstiger aufwarten, mit afrikanischen Löwen, dressierten Zebras und Elefanten, südafrikanischen Tapiren und Signor Chiarinis prächtiger Versammlung von Pferden und Ponys . Hinter dem Zelt ließen sich Zirkuswagen aus Holz erkennen und ein Stück eines umzäunten Geheges, aus dem dunkles Grollen, Wiehern und die heiseren, atemlosen Schreie eines Esels erschallten.
    Unharmonisch verwob sich in die Zirkusmusik eine zweite Melodie, im Dreivierteltakt eines Walzers plärrend und blechern pfeifend, die von einem Leierkasten herrührte, und während der Mann mit dem übergroßen Zylinder auf dem Kopf an der Kurbel drehte, kletterte ein Äffchen keckernd auf seinen Schultern herum. Ein als Clown geschminkter Zwerg in Pluderhosen hielt den Gästen Flugblätter entgegen, und die Herren unter ihnen verrenkten sich die Köpfe nach dem hübschen silberblonden Mädchen in einem kniekurzen, von zahlreichen Petticoats gestützten Rock und Ballettschuhen mit gekreuzten Satinbändern, das mit strahlendem Lächeln Programmhefte aus einem Korb an ihrem Arm zum Kauf anbot. Clowns in übergroßen Schuhen, weiten Hosen und rosaweiß oder blau-gelb gestreiften Gehröcken watschelten umher und priesen das Zuckerzeug in ihren Bauchläden an.
    Am Eingang des Zirkuszeltes harrten zwei junge Burschen in goldbetressten Uniformen aus und nahmen die Eintrittskarten entgegen, die Jian ihnen hinhielt. Beide verbeugten sich tief.
    »Viel Spaß und viel Vergnügen«, wünschte der eine in akzentbeladenem Holländisch, während der andere sie ins Zelt geleitete.
    Floortje stockte der Atem, als sie mit Kian Gie eintrat. Musik schmetterte ihr entgegen und der Geruch von Sägespänen und Zucker und Karamell, von Parfum, Rasierwasser und Tabakqualm; die Wärme unzähliger Menschenleiber und das Gebrumm und Gelächter ebenso vieler Stimmen. Das Zelt war riesig, seine lackierten Pfosten lang und stark wie Rasamalabäume, und die Leinen, Taue und Stangen, die sich hoch oben zu einem Netz verflochten, verschwanden irgendwo im Dunkel der weit entfernten Zirkuskuppel. Viele hundert Menschen fanden darin Platz, wenn nicht gar ein paar tausend, und heute Abend war das Zelt bis auf den letzten Platz besetzt.
    Durch den Mittelgang brachte der Bursche sie zu einer der Logen direkt an der Bande rings um die Manege; die einzige Loge, in der noch niemand saß, und zahlreiche Augenpaare folgten ihnen auf dem Weg dorthin. Sechs rot gepolsterte Stühle standen darin und in ihrer Mitte ein Tisch, darauf eine Flasche Champagner in einem eisgefüllten Kühler und Gläser. Folgsam ließ sich Floortje auf dem Platz nieder, den Kian Gie ihr neben sich zuwies, und bedankte sich bei Jian, der ihnen beiden Champagner einschenkte, bevor er sich auf einen der hinteren Stühle zurückzog.
    Die Musik endete mit einem kräftigen Tusch, und das Licht wurde gedämmt. Stattdessen erschien ein gleißend heller Lichtfleck am Eingang zur Manege, und unter einem erneuten Tusch ging der Vorhang auf. Schwungvoll und mit wiegenden Hüften marschierte eine blonde, stark geschminkte Dame bis in die Mitte der Manege. An ihren üppigen, aber strammen Leib schmiegte sich ein Kostüm, das einem Frack nachempfunden war, und mit einer großen Geste riss sie sich den Zylinder von der wohlondulierten Frisur.
    »Ladies and Gentlemen«, rief sie mit einer warmen, kräftigen Stimme, die mühelos auch bis in den hintersten Winkel des Zeltes drang, und blickte ringsum die Ränge hinauf. »Mesdames et Monsieurs! Sehr verehrte Damen und Herren! Herzlich willkommen am ersten Abend des Gastspiels von Wilson’s Great World Circus, direkt angereist aus San Francisco, aus den Vereinigten Staaten von Amerika, bei Ihnen in Batavia! Mein Name ist Anna Wilson, ich bin die Direktorin, und ich präsentiere Ihnen heute …«
    Stolz schleuderte sie einen Namen, einen Jubelruf nach dem anderen durch das Zelt, während unter Trommelwirbel und erneutem Einsetzen der Musik ein Artist nach dem anderen hinter dem Vorhang hervorsprang und in kreisenden Lichtflecken eine Runde durch die Manege drehte und winkend und lachend den Applaus des Publikums entgegennahm. Zwei Damen führten Pferde mit sich, ein Mann trug auf je einem Arm eine Taube, und

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