Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
vergessen machten, was sie für ihn war. Mit Berührungen seiner Hände, tröstend beinahe, sanft und schmeichlerisch auf ihrer Haut wie die Morgenröcke aus Seide, die sie süchtig machten nach mehr. Und zuweilen, wenn er ihren Leib behandelte wie eine Kostbarkeit oder wie eine besondere Delikatesse, genoss sie es sogar, wenn er behutsam in sie glitt und sich in ihr bewegte. Und hasste sich Tage später noch dafür.
»Hier.« Zwischen den Enden der Stäbchen hielt er ihr ein Stück Fleisch vor den Mund, offenbar ein besonderer Leckerbissen, doch sie schüttelte den Kopf.
Floortje mochte das Essen hier im Haus nicht; zu fremd war es. Es sah seltsam aus, teilweise gar unappetitlich; manchmal roch es auch so, und es schmeckte oft merkwürdig. Zu süß, mit Gewürzen abgeschmeckt, die nicht so recht zueinander passen mochten oder im falschen Verhältnis zueinander hineingegeben worden schienen und ihre Geschmacksnerven irritierten. Sie hatte ohnehin kaum Appetit, gleich, ob sie allein an der langen Tafel im Speisezimmer vor all den Schüsseln und Töpfen mit buntem chinesischem Dekor saß oder mit Kian Gie zusammen aß; meistens hielt sie sich an die Obstschale auf ihrem Zimmer und an die Dose mit den Süßigkeiten daneben und verzehrte diese kleinen Zwischenmahlzeiten, während sie in den Garten unter ihrem Fenster hinabschaute.
Unnachgiebig hielt er ihr immer noch die Essstäbchen hin. »Iss.«
Gehorsam öffnete sie den Mund, ließ sich den Brocken hineinschieben und kaute angestrengt auf dem gummiartigen Stück Fleisch herum, bis sie es schließlich hinunterwürgen konnte.
»Ich weiß gar nichts über dich«, flüsterte sie nach einer Weile.
Er ließ die Stäbchen sinken. Seine Augenbrauen hoben sich, er leckte sich über die Lippen und rieb sich mit dem Handrücken darüber. »Gib dir keine Mühe. So findest du keine Schwäche von mir heraus, an der du mich dann treffen kannst, um dich zu rächen oder um deine Flucht zu planen. Ich habe dir doch gesagt, ich finde dich überall.«
Floortjes Wangen wurden heiß; sie senkte den Kopf und drückte Mund und Nase gegen ihr angezogenes Knie, um zu verbergen, wie leicht er sie durchschaut hatte.
Er neigte sich vor, um das Schüsselchen in seiner Hand neu zu füllen, und warf ihr einen Seitenblick zu. »Was willst du wissen?«
Floortje knabberte auf ihrer Unterlippe herum. Sie sah den Garten unten im Hof vor sich, in dem sie manchmal den Nachmittag verbrachte, wenn er sie zum Spazierengehen hinunterschickte. Stunden, in denen sie zwischen den Frangipanibäumen, den flammenden Cannablüten, den Orchideen und den Lilien vergaß, warum sie hier war. Bis sie zufällig zum Haupthaus hinaufsah und Kian Gie am Fenster seines Arbeitszimmers stehen sah, wie er sie betrachtete, während er mit halbem Ohr jemandem hinter ihm zuhörte und über seine Schulter hinweg Antwort gab; vielleicht Jian, dem Diener, der sie damals vor dem L ’Europe in seinem Auftrag angesprochen hatte, oder einem Besucher, den sie nicht sehen sollte und sie deshalb in den Garten verbannt wurde. Oder bis Stimmen und Kinderlachen jenseits der Mauer sie aus ihren Träumereien weckten.
»Was ist auf der anderen Seite des Gartens?«
Sein Mund verbreiterte sich, während er mit den Stäbchen Reis, Gemüse und eine sämige Soße in dem Schüsselchen vermischte. »Mein anderes Leben. Meine Frauen und meine Kinder.«
Floortjes Kopf ruckte hoch. »Du bist verheiratet?«
Kian Gie lachte auf, ein kurzes, trockenes Lachen, das mehr wie ein heftiger Atemstoß klang. »Natürlich bin ich das. Zweimal sogar. Mit meinen beiden Ehefrauen und den drei Konkubinen habe ich acht Kinder, fünf Söhne und drei Töchter. Vielleicht heirate ich nächstes Jahr noch einmal. Ich habe ein gutes Angebot für eine Braut aus China bekommen.« Er warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu. »Ich bin ein glücklicher Mann.«
Floortje starrte vor sich hin; sie konnte sich Kian Gie beim besten Willen nicht als fürsorglichen Ehemann und liebenden Vater vorstellen. Ob er mit seinen Frauen genauso umging wie mit ihr? Oder hatte er sie deshalb in sein Haus geholt, weil er solche Dinge nur mit ihr tun konnte? Ihr Blick heftete sich grüblerisch auf ihn.
Er schmunzelte. »Erstaunt?«
Floortje nickte. »Ja, allerdings.«
Prüfend musterte er sie. »Noch mehr Fragen?«
Unwillkürlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ja. Woher kannst du so gut Holländisch?«
Kian Gie hielt damit inne, in seinem Schüsselchen herumzustochern,
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