Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
zwischen seine Oberschenkel und in seine Arme. »Ich mag dich«, raunte er, und sein Finger fuhr sanft über ihre Schläfe die Wange hinunter. »Sehr sogar. Solange du gehorchst.« Sie versuchte sich ihm zu entziehen, aber er verstärkte den Druck seiner Arme und presste sie fest an sich. »Und weil ich dich mag und du so ein braves Mädchen warst, habe ich eine Überraschung für dich.« Misstrauisch sah Floortje ihn von der Seite her an, und er küsste sie auf die Wange. »Wenn du mir versprichst«, murmelte er gegen ihre Haut, »morgen auch brav zu sein und keine Dummheiten zu machen, gehen wir aus.«
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Hingerissen betrachtete sich Floortje im Spiegel, drehte sich immer wieder auf dem kleinen, spitzen Absatz der Schuhe hin und her und freute sich schon allein an dem unwiderstehlichen Rascheln, mit dem der Volant am Rocksaum und an der kleinen Schleppe über den Boden glitt. Sie blickte an sich hinab und wieder in den Spiegel und strich bewundernd über die Abendrobe, die sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte.
Gewiss, es war ein sündhaftes Kleid, mit nur einer Andeutung von Ärmeln aus schwarzer Spitze, die auch den tiefen Ausschnitt am Rücken und das unanständig großzügige Dekolleté säumte; als pralle Halbkugeln sprangen ihre Brüste dem Betrachter ins Auge, die sahnehelle Farbe ihrer Haut noch feiner im Kontrast zur nachtschwarzen Seide. Das Grün und Blau der aufgestickten Pfauenfedern, die durch Schnörkel aus Goldfäden miteinander verbunden waren, betonte ihre Augen, ebenso wie die langen Ohrgehänge und das breite Armband mit grünen und blauen Steinen über den Handschuhen, die bei jeder ihrer Bewegungen im Lampenlicht Funken versprühten. Aus echten Pfauenfedern war auch der dazugehörige Fächer, und eine besonders lange Feder, die sich bis fast auf ihre Schulter herabbog, zierte zwischen glitzernden Schmucknadeln ihr kunstvoll aufgestecktes Haar, mit dem die Jüngere der beiden chinesischen Dienerinnen stundenlang beschäftigt gewesen war. Huifen hieß sie, wie Floortje ihr entlockt hatte, während sie sie frisierte, und der verzückte Ausdruck auf deren Gesicht, als sie Floortje nun den schwarzen Spitzenschal über die Schultern breitete, bestätigte sie darin, dass sie umwerfend aussah. Bestimmt war sie in dieser Aufmachung meilenweit als Hure zu erkennen, aber wenigstens gab sie eine bildschöne Hure ab und kam vor allem endlich wieder unter Menschen.
Mit gerafftem Saum schritt sie vorsichtig die Treppe in die erleuchtete Halle hinab, in der Kian Gie schon auf sie wartete. Er sah von der Taschenuhr in seiner Hand auf, ließ sie zuschnappen und steckte sie in die Westentasche. Der anthrazitgraue Anzug stand ihm; mondän wirkte er darin, aber auch unnahbar, und ängstlich stellte sich Floortje vor ihn hin und wartete auf sein Urteil.
Er musterte sie eingehend und nickte schließlich. »Jeden Cent wert.«
Unsicher, ob er sie oder das Kleid oder beides zusammen meinte, schenkte Floortje ihm ein flatteriges Lächeln und legte die Hand auf seinen Arm, den er ihr anbot.
Vor dem Haus stand mit heruntergeklapptem Verdeck und schon entzündeten Lampen die Barouche bereit. Die Dämmerung hatte sich lavendelgrau über die geschwungenen Dächer gelegt; vom Sonnenuntergang waren noch verblassende Streifen in Orange und Flamingorot am Himmel verblieben.
Kian Gie stieg ein und ließ sich von Jian seinen Hut geben, den er tief ins Gesicht zog, dann half Jian Floortje auf den Platz neben ihm und ließ sich ihnen beiden gegenüber nieder. Der Türhüter schob die metallene Abdeckung des Gucklochs beiseite, spähte links und rechts auf die Straße hinaus; dann löste er die Riegel und öffnete beide Flügel. Der Kutscher schnalzte mit den Zügeln, die Pferde trabten an, und mit einem sanften Ruck rollte die Barouche an und durch das Tor hinaus.
Die einbrechende Tropennacht legte sich feuchtheiß auf Floortjes Gesicht, das ohnehin schon vor Aufregung und Vorfreude glühte, und der Fahrtwind streichelte ihre Haut. Die Inhaber der Läden unter den geschweiften Vordächern waren gerade dabei zu schließen; über manchen Türöffnungen leuchtete noch ein Papierlampion, und in einigen Kramläden flackerten kleine Öllämpchen, die ihren zuckenden Schein auf die ausgestellten Waren warfen.
Der Wagen bollerte über eine Brücke, die einen Kanal überspannte, bog ab, und sie ließen das chinesische Viertel hinter sich. Floortje sah sich um; manche der von Gaslaternen beschienenen Straßenzüge
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