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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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seinem Gesicht deutlich erkennen konnte, die kleinen Unebenheiten und Narben. Freundlich wirkte sein eckiger Mund unter dem Bart, und die Augen mit den kurzen Wimpern waren von einem so dunklen Blau wie die hohe See an einem windstillen Tag. Geradlinige Augen waren es, Augen, die nicht dazu taugten, etwas zu verbergen, und genauso wenig, sich täuschen zu lassen; dafür hatten sie vielleicht bereits zu viel gesehen.
    »Du bist auch nicht die Erste, für die ich bezahlt habe«, ergriff er wieder das Wort. Er fing Floortjes überraschten Blick auf und schmunzelte. »Ich habe in Goldgräberstädten gelebt und in Paris – was dachtest du denn? Ich hab dir gleich gesagt, dass ich auch nur ein Mann bin.« Seine Augen funkelten auf und blickten dann wieder ernst. »Wenn ich dich so angucke, schäme ich mich fast dafür. Ich hoffe, ich bin wirklich immer so gut mit den Damen umgegangen, wie ich mir eingebildet hab.«
    Lange sah er sie einfach nur an, mit Blicken, die ihr in ihrer Intensität unangenehm waren und unter denen dennoch etwas in ihr weich wurde wie Wachs, das langsam erwärmt. Als versuchte er, hinter ihr hübsches Gesicht zu blicken, um zu ergründen, wer sie war.
    »Was hat dieser Scheißkerl nur mit dir gemacht«, raunte er dann und streckte die Fingerspitzen nach Floortjes Wange aus. Hastig wandte sie das Gesicht ab und vergrub Mund und Kinn im Kissen. So sehr sie sich wünschte, er möge sie berühren, so sehr fürchtete sie sich davor. Danach würde es gewiss noch schwerer sein, zu Kian Gie zurückzumüssen.
    »Wovon träumst du, Blümchen?«, hörte sie ihn raunen.
    Floortje starrte vor sich hin. Niemand hatte sie je gefragt, welche Träume sie hatte. So viele Träume waren es früher gewesen, hochfliegende, bunt schillernde Träume von schönen Kleidern und Juwelen, von einem müßigen Leben in einem prächtigen Haus. In Kian Gies Haus lebte sie jetzt zwar im Luxus, aber es bedeutete ihr nichts mehr; der Preis dafür war zu hoch. Sie sehnte sich danach, frei zu sein. Keine Angst mehr zu haben. Sich niemals mehr einem Mann gegen ihren Willen oder für Geld auszuliefern. Jacobina wiederzusehen. Alles Dinge, die mittlerweile unerreichbar waren. Die vielleicht niemals mehr möglich sein könnten. Floortje hatte nicht nur ihren Körper verkauft, sondern auch ihre Träume, und jetzt war keiner mehr davon übrig.
    Dennoch tauchte ein Bild vor ihrem inneren Auge auf, ein Bild von ihr selbst, wie sie auf dem Rücken eines Pferdes einen Strand entlanggaloppierte, durch aufstiebenden Sand und Gischt, das Haar hinter sich herflatternd und ein Lachen auf dem Gesicht; ein Bild, das vielleicht am ehesten dem Gefühl der Freiheit entsprach, das sie sich immer ersehnt und nie wirklich gehabt hatte. Jetzt erst recht nicht mehr.
    »Ein Pferd«, hauchte sie schließlich. »Ein Pferd hätte ich gern.«
    »Kannst du reiten?«
    Verlegen schüttelte sie den Kopf und streckte sich bäuchlings über dem Kissen aus. Bevor sie mit James über die grünen Felder und Hänge rings um Rasamala geritten war, hatte sie noch nie auf einem Pferd gesessen. Aber sie hatte den Geruch des Tieres gemocht, die Wärme seines Leibes und wie es sich anfühlte, wenn es sich unter ihr bewegte.
    »Ich hab mir vor drei Jahren ein Anwesen in England gekauft«, sagte Holtum leise. »In der Nähe von London, mit Blick auf die Themse. Meine Frau hat darauf bestanden, dass wir uns dafür Pferde anschaffen.«
    Rasch senkte Floortje den Blick und rieb angestrengt mit dem Daumen über das Glas in ihrer Hand. Keinen Gedanken hatte sie daran verschwendet, ob John Holtum vielleicht verheiratet sein könnte, und obwohl sie wusste, dass sie kein Recht hatte, so zu empfinden, und es für sie ja auch niemals eine Rolle spielen würde, versetzte es ihr einen heftigen Stich.
    Er atmete tief ein. »Jetzt hab ich zwar keine Frau mehr, aber die Pferde stehen immer noch im Stall. Und wenn ich die Winter dort verbringe, reite ich jeden Morgen aus. Zwar so plump wie ein Cowboy, aber immerhin.«
    Floortjes Pulsschlag beschleunigte sich. »Ist sie …« Unter halb gesenkten Lidern schielte sie zu ihm hinüber.
    »Wir haben uns getrennt.« Mit dem Fingerknöchel rieb er sich unter dem Kinn. »Ich will nicht sagen, dass diese Ehe ein Fehler war. Schließlich hätte ich sonst meine Söhne nicht, und das sind richtige Prachtburschen. Zehn und acht Jahre sind sie alt. Und mein ganzer Stolz.« Seine Augen glänzten auf, verdunkelten sich dann wieder. »Aber ich hätte wissen

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