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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Direktor zu mir: ganz nett, Mister Holtum. Aber könnten Sie vielleicht nicht doch lieber Kaninchen oder Papageien aus der Kanone schießen und auffangen – wissen Sie, das sieht einfach hübscher aus und kommt bei den Ladys und den Kindern besser an.«
    Die Pfauenfeder war längst aus Floortjes Haar geglitten, und einzelne Schmucknadeln hatten sich gelöst, sodass sich dicke Strähnen ihres Haares über die Schultern des übergroßen Herrenhemdes kringelten; den Ellenbogen aufgestützt und das Kissen vor ihren Bauch gepresst, lag sie mit angezogenen Knien und dem Glas Hochprozentigen in der Hand auf ihrer Seite des Bettes und kicherte, beschwipst vom Alkohol, aber auch von John Holtum.
    Gebannt hatte sie seinen Schilderungen von Kalifornien und Nevada gelauscht, von den staubigen Wüsten und mannshohen Kakteen, den Wäldern von gigantischen Mammutbäumen, den tiefen Canyons und den bizarren Steinformationen, durch Wind und Wasser im Lauf der Zeit erschaffen, und wie es war, mit einem langen Zug aus lauter Zirkuswaggons in Amerika von Küste zu Küste zu fahren und alle paar Tage in einem anderen Städtchen das Zelt aufzuschlagen, bis es weiterging. Vom quirligen San Francisco hatte er erzählt, von einem heißen Sommer in Russland, von London und Berlin, von Kopenhagen und von Paris, wo er einige Zeit in den berühmten Folies Bergères aufgetreten war. Einen ganzen Bilderbogen an Orten und fremden Ländern hatte er vor ihren Augen entfaltet, ein Panoptikum der bunten, lebhaften, skurrilen Welt des Zirkus und des Varietés. So viele Länder und Städte hatte er bereist, so viel gesehen und erlebt, und Floortje wurde nicht müde, ihm zuzuhören.
    Über ihr Glas hinweg beobachtete sie ihn, wie er quer über dem Bett lag und zwischen den angezogenen Knien hindurch immer wieder locker einen Gummiball gegen die Wand warf und auffing. Jedes Mal, wenn er in den vergangenen Stunden zur Flasche gegriffen und sich zu ihr herübergebeugt hatte, um ihr Glas wieder zu füllen, war er ein Stückchen näher zu ihr gerutscht. Weniger als eine Armlänge lag er jetzt noch von ihr entfernt, und zu ihrem eigenen Erstaunen machte es ihr nichts aus. Seine körperliche Nähe war ihr angenehm; behaglich fühlte es sich an, bei ihm zu sein, fast so, als wäre sie hier bei ihm in Sicherheit. Und sie ertappte sich dabei, wie sie ihre Blicke über seinen starken Leib wandern ließ, über die kräftigen Knochen und dicken Muskeln, die sich unter dem Stoff von Hose und Hemd abzeichneten, und sie dabei immer wieder eine leise Sehnsucht durchzog. Wie es wohl sein mochte, in diesen starken Armen zu liegen, fragte sie sich, sich an diesen mächtigen Leib zu schmiegen, vielleicht sogar diesen harten Mund zu küssen.
    »Sag mal, Blümchen …« Plock. Plock. »… willst du mir denn nicht auch mal was über dich erzählen?« Mit einer leichten Drehung seines Kopfes warf er ihr von unten herauf einen Blick zu.
    Das Lächeln auf Floortjes Zügen erstarb.
    »Bist du wirklich der stärkste Mann der Welt?«, lenkte sie schnell ab und trank noch einen Schluck.
    Ein Schmunzeln zog sich um seinen Mund. »Wir machen es nie am ersten Abend – aber sonst suchen wir in jeder Vorstellung Freiwillige, die gegen mich antreten. Zwei starke Männer, die versuchen, mich an einem Seil, das ich zwischen den Zähnen halte, über eine Markierung zu ziehen. Und Freiwillige, die sich mal dran versuchen möchten, ebenfalls eine Kanonenkugel zu fangen. Wem das gelingt, der bekommt eine Belohnung.« Das Schmunzeln vertiefte sich. »Wir mussten das Geld noch nie auszahlen.« Er drehte sich auf die Seite, rückte dabei noch ein bisschen näher und stützte die Wange auf den Handrücken der Linken, die den Ball hielt. »Erzähl mir von dir.«
    Als ein Krampf lief ein Gefühl des Elends durch Floortjes Leib, und sie rollte sich enger zusammen.
    »Lieber nicht«, wisperte sie tonlos und wich seinem forschenden Blick aus.
    »Ein bisschen was kann ich mir denken«, sagte er nach einer Weile leise, und Floortje senkte beschämt den Kopf. »Braucht dir nicht peinlich zu sein. Wir vom Zirkus haben manches mit euch vom Gewerbe gemeinsam, und ab und zu haben wir auch miteinander zu tun. Ich kenne einige Mädels und Jungs, die ihr Geld damit verdient haben, bevor sie zum Zirkus sind. Und welche, die so über den Winter kommen oder die Zeit zwischen zwei Gastspielen überbrücken.«
    Langsam hob sie den Blick wieder zu ihm an; jetzt war er ihr so nahe, dass sie die Linien und Furchen in

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