Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
lang war Floortje versucht hierzubleiben. Hier Zuflucht zu suchen, in diesem Zimmer, bei diesem Mann.
Du gehörst mir, Fleur. Eine eisige Kälte breitete sich in ihr aus. Ich finde dich. Meine Leute finden dich. Überall.
Sie würde nirgendwo sicher sein, bevor Kian Gie sie gehen ließ. Nicht einmal hier, bei diesem Mann.
»Mir bleibt nichts anderes übrig«, erwiderte sie mit wackeliger Stimme.
»Hör mal«, seine Stirn legte sich in Querfalten. »Ich bin keiner dieser Weltverbesserer, die meinen, jedes vermeintlich gefallene Mädchen auf den Pfad der Tugend zurückdrängen zu müssen. Aber falls du es dir anders überlegst … Beim Zirkus gibt’s immer Arbeit, nicht nur in der Manege. Gerade für ein hübsches Mädchen wie dich. Und wenn du Hilfe brauchst oder Geld – ich bin noch den ganzen Monat hier. Du kannst jederzeit vorbeikommen oder mir eine Nachricht schicken – in Ordnung?«
Du wärst nicht die erste weiße Nutte, die aus dem Kali Besar gefischt wird. Floortje unterdrückte ein Schaudern und nickte halbherzig.
Er stieß sich von der Tür ab und öffnete sie. Floortje trat über die Schwelle und blieb mit dem Absatz hängen; sie rutschte aus dem rechten Schuh und strauchelte; sogleich schloss sich Holtums Hand um ihren Ellenbogen. Fest genug, dass er ihr Halt gab, sanft genug, dass sich ihre Haut wohlig kräuselte und ihr Herz schneller schlug.
»Danke«, murmelte sie verlegen; er ließ sie los, und sie drehte sich um.
Holtum bückte sich, hob den Schuh auf und betrachtete ihn. Dann krümmte sich sein Mund zu einem belustigten Lächeln, und er ließ sich auf ein Knie nieder. Beinahe schelmisch glomm es in seinen Augen auf, als er die Hände in einer galanten Geste ausbreitete, dann auf Floortjes Rocksaum deutete. »Darf ich?«
Um ihren Mund zuckte es; sie nickte, raffte den Rock und hielt ihm ihren nackten Fuß hin. Als er mit seiner Rechten ihre Ferse umfasste, erschauerte sie. Behutsam stülpte er die Spitze des Schuhs über ihre Zehen, ließ dann den Schuh langsam auf ihren Fuß gleiten und strich dabei mit dem Daumen über die Innenseite ihres Spanns, den Knöchel hinauf. Selig ließ Floortje den Atem ausströmen; eine kribbelnde Wärme wanderte ihr Bein hinauf und zog höher, bis tief in ihren Leib hinein.
Bedauern breitete sich in ihr aus, als er ihren Fuß losließ, so langsam, als widerstrebte es ihm selbst.
»Ist unter deinen Pferden denn auch ein weißes?«, fragte sie leise.
Er stand auf. »Nein. Ich habe nur Braune und Füchse. Warum fragst du?«
»Nur so.«
Es fiel ihr unendlich schwer, den Blick von ihm zu lösen, von diesem großen, starken Mann, der so sehr in sich ruhte. Hinter dessen schroffem Äußeren ein Herz schlug, das vermutlich nicht weich, aber durchaus zu Wärme und Zärtlichkeit fähig war, und dessen Augen selbst jetzt, im Zwielicht aus Lampenschein und Tagesanbruch, so blau leuchteten.
Wie auf Geheiß wieherte in einiger Entfernung hinter ihr ein Pferd. Es hatte keinen Sinn, es noch länger hinauszuzögern, sie musste zurück zu Kian Gie.
Holtum steckte die Hände in die Hosentaschen. »Pass auf dich auf, Blümchen.«
»Ich versuch’s«, erwiderte sie mit belegter Stimme, und ihre Augen wurden feucht. »Du auch auf dich.« Sie gab sich einen Ruck und wandte sich um, trat von der Veranda herunter und ging über den Innenhof, der trockene Boden knisternd unter ihren Sohlen. Jenseits des schmiedeeisernen Zaunes konnte sie in der rasch voranschreitenden Morgendämmerung die Umrisse der Barouche von Kian Gie ausmachen.
Floortje brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass John Holtum ihr hinterhersah; sie spürte seine Augen in ihrem Rücken wie eine ermunternde Liebkosung, und ihre Lippen kräuselten sich zu einem kleinen, glücklichen Lächeln.
Die Morgensonne presste schon kräftige Streifen Licht durch die Schlitze der Fensterläden, als Floortje in ihr Zimmer zurückkehrte und zum Bett ging. Nachlässig, beinahe übermütig kickte sie die Schuhe von ihren Füßen.
»Und – hat er’s dir gründlich besorgt?«, hörte sie Kian Gies Stimme mit ätzendem Unterton hinter sich.
Floortje wandte sich um. Den Unterarm gegen das Holz gelehnt, stand er im Türrahmen.
Ihr Mund krümmte sich spöttisch »Oh ja. Und wie! So richtig! So, dass mir Hören und Sehen vergangen ist! Mit seinem riesigen …«
Sie versuchte nicht, zu fliehen, als ein Zucken durch ihn hindurchging und er auf sie zusprang; sie versuchte auch nicht, auszuweichen oder sich zu ducken,
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